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Andrew I. Port

Die rätselhafte Stabilität der DDR. Arbeit und Alltag im sozialistischen Deutschland. Aus dem Amerikanischen von Sylvia Taschka

Berlin: Ch. Links Verlag 2010; 392 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-86153-577-5
Port befasst sich mit gleich zwei wichtigen, in der DDR-Forschung bisher wenig beachteten Aspekten: zum einen dem Aufstand von Wismut-Arbeitern am 16. August 1951 in Saalfeld (Kapitel 2). Damit gab es bereits zwei Jahre vor dem Aufstand am 17. Juni einen Streik wegen unzumutbarer Arbeits- und Lebensbedingungen in Thüringen. Zum anderen erklärt der Autor mithilfe soziologischer Faktoren die vierzigjährige Stabilität der DDR. In der bisherigen Forschung gab es hierfür gleich mehrere Ansätze: relative Deprivation, Repression, Wohlfahrtsstaatlichkeit, auch die deutsche Mentalität diente als Erklärung. Port präsentiert zwei andere (z. T. die vorher genannten ergänzende), bisher kaum beachtete Ansätze: Erstens war die DDR 40 Jahre stabil, weil örtliche SED-Funktionäre als „Puffer“ zwischen den Vorgaben des Politbüros und der arbeitenden Bevölkerung fungierten (vertikale Ebene). Aufgrund der Inkongruenz von Beschlüssen auf höherer Ebene mit der realen Situation vor Ort suchten die Funktionäre an der Basis nach Problemlösungen, Kompromissen und Zugeständnissen an die Arbeiter und Bauern. Darüber hinaus entdeckt Port einen weiteren Faktor: Die Gesellschaft der DDR war aufgrund weiterhin bestehender sozialer und materieller Unterschiede in sich gespalten und zerklüftet (horizontale Ebene). Innerhalb der Arbeiterschaft und den anderen sozialen Schichten gab es zum Teil große Konflikte und grundsätzliche Spannungen, die eine oppositionelle Organisation in der Bevölkerung und damit massive Erschütterungen des Systems verhinderten. Ports Untersuchungsgegenstand ist der Kreis Saalfeld, der „nicht unbedingt typisch für die DDR als Ganzes“ (29) ist, aber sich durch ähnliche Forschungsergebnisse anderer Regionen in der DDR auch nicht radikal abhebt von anderen Kreisen, deshalb verallgemeinerbare Aussagen über die gesamte DDR zulässt. Ports quellengesättigte Fallstudie bezieht sich auf den Zeitraum von 1945 bis zum Ende der Ulbricht-Ära und ist 2007 bereits in englischer Sprache erschienen.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Andrew I. Port: Die rätselhafte Stabilität der DDR. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9658-die-raetselhafte-stabilitaet-der-ddr_38389, veröffentlicht am 24.08.2010. Buch-Nr.: 38389 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken