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Michael J. Sandel

Gerechtigkeit. Wie wir das Richtige tun. Aus dem Amerikanischen von Helmut Reuter

Berlin: Ullstein 2013; 413 S.; geb., 21,99 €; ISBN 978-3-550-08009-8
Seit über 30 Jahren lehrt Michael J. Sandel an der Universität Harvard politische Philosophie und hält dort seitdem regelmäßig eine Vorlesung, die schlicht den Titel „Gerechtigkeit“ trägt. Dieses Buch gleichen Namens ist daraus hervorgegangen und führt entsprechend in die Grundzüge der Diskussion über Gerechtigkeit ein. Sandel unterscheidet drei Ansatzpunkte, um sich den Fragen der Gerechtigkeit zu nähern: das allgemeine Wohl (Utilitarismus), die Freiheit, entweder verstanden im Sinne des marktliberalen „Laissez‑faire‑Gedankens“ (32, Libertarianismus) oder im Sinne der Fairness (Liberalismus) sowie Ansätze, die Gerechtigkeit mit Tugend und dem guten Leben verbinden (Kommunitarismus). Die Grundgedanken dieser Ansätze stellt Sandel am Beispiel ihrer jeweiligen Hauptvertreter – Bentham, Mill, Nozick, Kant, Rawls, Aristoteles – dar und konfrontiert sie mit Kritik. Im letzten Teil des Buches positioniert er sich selbst im Sinne des von ihm vertretenen kommunitaristischen Ansatzes. Hier rekapituliert er seine aus anderen Schriften bekannten Vorstellungen: „Um zu einer gerechten Gesellschaft zu gelangen, müssen wir gemeinsam darüber nachdenken, was es heißt, ein gutes Leben zu führen und eine öffentliche Kultur schaffen, die mit den unvermeidlich auftretenden Meinungsverschiedenheiten umzugehen weiß.“ (357) Letzteres erfordere eine „Politik des Gemeinwohls“ (358), die Sandel allerdings nur beispielhaft skizziert – etwa anhand der Frage, ob die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich die unerlässliche staatsbürgerliche Tugend der Solidarität untergräbt. Warum Sandels Vorlesung beinahe Kultstatus genießt, erschließt sich auch bei der Lektüre. Vor allem die fast schon erdrückende Fülle an hauptsächlich gegenwärtigen Fallbeispielen, von Leihmutterschaft über Wehrpflicht bis hin zur Bankenrettung und Managerboni, hauchen den behandelten Gerechtigkeitstheorien Leben ein. Dementsprechend anschaulich und unterhaltsam präsentiert Sandel seine Materie. Die Kehrseite dieses Vorgehens ist allerdings, dass für theoretische Differenzierungen und begriffliche Präzisierungen sehr wenig Raum bleibt.
Nikolai Münch (NM)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Forschungszentrum Laboratorium Aufklärung, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42 | 5.1 Empfohlene Zitierweise: Nikolai Münch, Rezension zu: Michael J. Sandel: Gerechtigkeit. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9271-gerechtigkeit_43258, veröffentlicht am 11.04.2013. Buch-Nr.: 43258 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken