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Breaking the Silence (Hrsg.)

Israelische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten. Aus dem Amerikanischen von Barbara Kunz

Berlin: Econ 2012; 410 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-430-20147-6
Die israelischen Sicherheitskräfte und Regierungsstellen stellen immer wieder vier Hauptelemente ihrer Politik gegenüber den Palästinensern heraus, heißt es in der Einleitung: „die ‚Vorbeugung’ feindlicher terroristischer Aktivitäten (sikkul), die ‚Trennung’ von Israel und der palästinensischen Bevölkerung (hafradah), die Bewahrung der palästinensischen ‚Lebensstruktur’ (mirkam chajim) und die ‚Durchsetzung von Recht und Ordnung’ (akifat chok weseder) in den besetzen Gebieten.“ (22) Wie erschreckend groß die Kluft zwischen diesem Anspruch und der militärischen Praxis ist, zeigen die Augenzeugenberichte in diesem Buch. Herausgegeben wird es von „Breaking the Silence“, einer NGO, die von Veteranen der israelischen Armee gegründet wurde mit dem Ziel, die Besatzungspolitik zwischen den Jahren 2000 bis 2010 zu dokumentieren. Aus den bisher über 800 geführten Interviews sind 146 für diese Publikation ausgewählt worden. In ihnen spiegelt sich das Entsetzen der Soldaten, die sich bei ihren Einsätzen statt in der Rolle des Verteidigers eines demokratischen Staates in der eines Besatzers wiederfanden. Sie berichten von völlig willkürlichen Festnahmen, planlosen Zerstörungen von Wohnhäusern, Misshandlungen von Kindern und der Ermordung Einzelner auf bloßen, vagen Verdacht hin – und vom Zynismus der Kameraden, die mit einem Sprengsatz eine Haustür in die Luft jagten, dabei unbeabsichtigt eine Frau töteten und in Gegenwart von deren Kindern darüber lachten, „dass ihre Gliedmaßen auf der Mauer verschmiert waren“ (59). Die konkreten Umsetzungen der oben genannten Prinzipien entpuppen sich als Maßnahmen, die „zum Auseinanderbrechen der palästinensischen Gesellschaft führen“ (21) und deren Unabhängigkeit jegliche Basis entziehen. Die „Vorbeugung“ stellt eine massive Einschüchterung dar, die „Trennung“ dient „hauptsächlich der Kontrolle über die palästinensische Bevölkerung“ (141) sowie deren Enteignung, die „Lebensstruktur“ bedeutet eine rechtlose Abhängigkeit von der israelischen Bürokratie, die darüber bestimmt, wie viel es zu essen gibt und wer zur Schule gehen darf. Die „Durchsetzung von Recht und Ordnung“ schließlich erzeugt eine „Herrschaft mittels Aggressionen und Drohungen, die durch Strafmaßnahmen untermauert werden“ (315). Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass das Militär den militanten Siedlern Einfluss gewährt und nicht verhindert, dass diese an Palästinensern (grundlose) Selbstjustiz üben. „Breaking the Silence“ legt mit den Berichten ein erschütterndes Dokument vor – die ehemaligen Soldaten zweifeln nicht grundsätzlich daran, dass ihr Land verteidigt werden muss, sie fragen aber, ob – und wie – dies in einem Krieg gegen eine zivile Bevölkerung geschehen muss.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.63 | 2.25 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Breaking the Silence (Hrsg.): Israelische Soldaten berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten. Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9269-israelische-soldaten-berichten-von-ihrem-einsatz-in-den-besetzten-gebieten_43256, veröffentlicht am 31.01.2013. Buch-Nr.: 43256 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken