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Anne Seeck (Hrsg.)

Das Begehren, anders zu sein. Politische und kulturelle Dissidenz von 68 bis zum Scheitern der DDR

Münster: Unrast 2012; 304 S.; 18,- €; ISBN 978-3-89771-530-1
Nach Ansicht der Herausgeberin oszilliert das DDR‑Geschichtsbild zwischen jenen, die die Situation in der DDR verharmlosen, weil sie sich rückblickend an einen Alltag (fast) ohne Repressionen erinnern, und solchen, die vor allem auf die politischen Strukturen abstellen und daher die DDR als totalitären Staat kennzeichnen wollen. Vor diesem Hintergrund hat sich der 2008 konstituierte AK „Einstürzende Mauern“ mit dem dissidentischen Verhalten von DDR‑Bürgern befasst und schließlich dieses Buch herausgebracht, das denjenigen gewidmet ist, „die in der DDR wegen ihres – mitunter rebellischen – Eigensinns drangsaliert wurden und zu leiden hatten“ (8). Die Autoren beleuchten die Situation zwischen 1968 und 1989 und stellen „die verschiedenen Formen kultureller und politischer Dissidenz und ihre Konflikte mit der autoritären Staatsmacht“ (13) vor. Thomas Klein setzt sich kritisch mit der DDR‑Opposition der 1980er‑Jahre auseinander. Die Bürgerbewegungen strebten – entgegen den eher glorifizierenden Rückblicken auf diese Zeit – einen demokratischen Sozialismus an, mit dem vorrangig die Parole „Wir sind das Volk!“ verwirklicht, aber keinesfalls auf eine Wiedervereinigung hingearbeitet werden sollte. Seit dem Januar 1990 hätten die Bürgerbewegungen jedoch aus zwei Gründen an Autorität in der Bevölkerung verloren und daher historisch versagt: Erstens hätten sie sich mit den alten Machthabern und ihren Getreuen an einen Runden Tisch gesetzt statt zuerst den Regierungs‑ und Politbürorücktritt als Bedingung zu fordern, um dann Verhandlungen mit reformwilligen Kräften und der provisorischen Regierung zu führen. Die oppositionellen Gruppierungen hätten abermals versagt, „als sie vor der auf der Tagesordnung stehenden ‚deutschen Frage‘ den Kopf in den Sand steckten“ (62). Henryk Gericke stellt in seinem Beitrag „Tanz in den Kommunismus“ einen Ausschnitt der DDR‑Modeszene vor. Vor allem die Modeinitiative ccd (chic, charmant & dauerhaft) organisierte im Ostberliner Underground Shows und Events, bei denen dank „ein paar bestens gelaunter[r] und blutiger[r] Amateure […] einfach Party“ (165) gemacht und auf diese Weise auf die nuklearen Untergangsszenarien der damaligen Zeit reagiert wurde.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Anne Seeck (Hrsg.): Das Begehren, anders zu sein. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9237-das-begehren-anders-zu-sein_43203, veröffentlicht am 14.03.2013. Buch-Nr.: 43203 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken