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Daniele Ganser

Europa im Erdölrausch. Die Folgen einer gefährlichen Abhängigkeit

Zürich: Orell Füssli 2012; 414 S.; brosch., 24,95 €; ISBN 978-3-280-05474-1
In Europa ist der Verbrauch von Erdöl seit dem Zweiten Weltkrieg so stark angestiegen, dass der Autor von einem „Erdölrausch“ (21) und von einer „Erdölsucht“ (22) spricht. Eine der zentralen wie umstrittenen Thesen des Buches ist, dass das Fördermaximum (der Peak‑Oil) von konventionellem Erdöl weltweit schon 2006 erreicht wurde. Dadurch spitzt sich die Lage zu der Frage zu, wie mit dem absehbaren Ende dieser Energiequelle umgegangen werden soll. Zunächst schildert Ganser jedoch den Erdölrausch Europas und seine Folgen im internationalen Kontext und legt dar, wie und warum Europa in eine starke und ebenso gefährliche Abhängigkeit gelangt ist. Spannend sind dabei vor allem die Kapitel, in denen Ganser die Bedeutung des Erdöls in zahlreichen Kriegen und internationalen Konflikten seit dem Ersten Weltkrieg sowie für das Wirtschaftswachstum des Westens schildert. Er belegt zudem einen Zusammenhang zwischen der Abhängigkeit vom Erdöl und den kriegerischen Interventionen des Westens, was ihn zu der Aussage bewegt: „Man redet sich ein, der Angriff auf den Irak 2003, der die drittgrößten Erdölreserven der Welt besitzt, sei aus humanitären Gründen erfolgt, genauso wie der Angriff auf Libyen 2011, das die größten Erdölreserven Afrikas kontrolliert. Dies kann nicht überzeugen. Ehrlicher scheint es mir, wenn wir uns eingestehen, dass die USA zusammen mit europäischen Ländern Kriege führen, um Erdöl zu erbeuten. Für Erdöl wird getötet, obschon wir das gerne verdrängen.“ (22 f.) Nach der Erörterung dieser historischen Aspekte mit ihren internationalen Folgen geht Ganser der Frage der zukünftigen Energieversorgung nach. Da das Fördermaximum erreicht worden sei, steige der Preis langfristig kontinuierlich an, was unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensgestaltung und den Lebensstandard der Menschen Europas haben werde. Neben dem Aspekt, eine friedlichere Welt möglich zu machen, sprechen somit auch ökonomische Gründe dafür, den Ausstieg aus der Erdölnutzung voranzutreiben und erneuerbare Energien zu nutzen. Als Voraussetzung für diese Energiewende hält Ganser einen Bewusstseinswandel in der westlichen Gesellschaft für unabdingbar. Anderenfalls würden Ressourcenkriege, der Klimawandel, Nahrungsmittelknappheit, Arbeitslosigkeit und Dürren weiter voranschreiten.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.45 | 4.41 | 2.263 | 2.2 | 2.61 | 2.4 | 2.5 | 2.63 | 2.64 | 4.43 | 4.1 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Daniele Ganser: Europa im Erdölrausch. Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9215-europa-im-erdoelrausch_43166, veröffentlicht am 28.03.2013. Buch-Nr.: 43166 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken