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Gerhard Kümmel (Hrsg.)

Die Truppe wird bunter: Streitkräfte und Minderheiten

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Militär und Sozialwissenschaften 47); 209 S.; brosch., 42,- €; ISBN 978-3-8329-7802-0
Streitkräfte sind in besonderem Maße auf Kohäsion angewiesen. Am einfachsten setzt sich eine gemeinsame Identität der Truppe bei ethnischer Homogenität und – idealerweise – bei klarer Feindlage durch. Beides kann (und soll) heute nicht mehr Messlatte erfolgreicher Armeen sein. Der Band, der auf eine Tagung des Arbeitskreises Militär und Sozialwissenschaften im November 2009 in Erkner zurückgeht, sucht Folgen des Auftretens von Minderheiten unter Soldaten zu ergründen. Keiner der Autoren – dies vorweg – liest die soziale Struktur der Heere von römischer Zeit bis zu gegenwärtigen Großmächten als Summe von Minderheiten. Eine Aussage über deren Pendant, über die amorphe Mehrheit, suchen die Leser vergebens. Umso aufschlussreichere Einblicke gibt die diachrone Sicht: Thomas Hallmann erkennt „fremdländische Hilfstruppen“ (69) als historische Konstante, auch in arg nationalistischen Zeiten wie im Ersten (Kolonialtruppen) und Zweiten Weltkrieg (Verbände der Waffen-SS). Kalkül war stets die Stärkung der Kampfkraft, für die eine Bewahrung der minoritären Eigenheiten in Kauf genommen wurde. Hallmann nennt „Anreize und Zwänge“ (70) als Mechanismus. Teils mussten schlicht fehlende Rekrutenzahlen kompensiert werden. Eine Herausforderung vor allem aufgrund unterschiedlicher Lebensgewohnheiten stellt die Integration muslimischer Soldaten in Armeen unserer Tage dar, wie Maren Tomforde und Ines Michalowski anhand von Bundeswehr und US Army aufzeigen. Die von Migranten immer wieder geforderte Anpassungsleistung wird ohne Wenn und Aber erbracht, daneben hat die Sensibilität zugenommen – trotz Kursen des Zentrums Innere Führung „eher im Einzelfall“ (106), vor allem dann, wenn ein Vorgesetzter das kulturelle Wissen eines Soldaten für den Einsatzalltag zu nutzen versteht. Während die rechtliche Gleichstellung für Homosexuelle in der Bundeswehr gesichert ist, stellen Militärpfarrer Wolfgang Scheel und der Sprecher des Arbeitskreises Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr e. V. Peter Uhlmann fortbestehende Akzeptanzprobleme im Alltag fest. Einander als Individuum zu achten, sei Gebot der pluralistischen Gesellschaft. Beim Blick nach Israel, Großbritannien und in die Niederlande zeigt Johanna Louise Thiel, wie veränderte Normen die Integration von Homosexuellen verbessert haben. Sie sind eben „ganz normale Männer“ (186) – mit hervorragender Disziplin.
Sebastian Liebold (LIE)
Dr., Politologe und Zeithistoriker, wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.21 | 2.324 | 2.64 | 2.61 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Liebold, Rezension zu: Gerhard Kümmel (Hrsg.): Die Truppe wird bunter: Streitkräfte und Minderheiten Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9209-die-truppe-wird-bunter-streitkraefte-und-minderheiten_43155, veröffentlicht am 24.01.2013. Buch-Nr.: 43155 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken