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Simone Ladwig-Winters

Ernst Fraenkel. Ein politisches Leben

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2009; 447 S.; kart., 34,90 €; ISBN 978-3-593-38480-1
Fraenkel führte, wie andere bundesdeutsche Politikwissenschaftler der ersten Generation auch, ein politisches Leben. Die Stationen stellen sich in der Biografie von Ladwig-Winters so dar: Aufgewachsen in einer assimilierten jüdischen Familie, Frontkämpfer im Weltkrieg, Soldatenrat, Jurastudium bei Hugo Sinzheimer, politisch denkender Jurist, sozialdemokratischer Rechtsanwalt und Staatstheoretiker, Verfolgung als Jude, Rechtsbeistand rassisch und politisch Verfolgter, Widerstand, Emigration in die USA, Tätigkeiten in Wissenschaft und Politikberatung (Deutschland, Korea), Gründergestalt der Politikwissenschaft in der Bundesrepublik, Emeritus und scharfer Gegner der studentischen Protestbewegung. Grundlage der Darstellung sind, neben den Werken Fraenkels und der Sekundärliteratur, Gespräche mit Zeitzeugen sowie Archiv- und Nachlassbestände, die teils erstmals gehoben wurden. So können Lücken der Biografie, etwa zu Kindheit und Jugend, geschlossen werden. Darüber hinaus beleuchtet Ladwig-Winters den Anteil Fraenkels bei der Etablierung der Nordamerika-Studien an der Freien Universität Berlin. Es geht der Autorin weniger um eine Analyse des wissenschaftlichen Opus als darum, den Werdegang dieser durchaus eckigen und kantigen Persönlichkeit nachzuzeichnen. Insofern erscheinen auch seine Werke ( „Soziologie der Klassenjustiz“, „Doppelstaat“, Studien zu Nordamerika, zu Pluralismus und Demokratie usw.) eher als Stationen des Lebensweges. An Politischer Theorie interessierte Leser werden eine tiefer schürfende Auseinandersetzung mit den literarischen Quellen, theoretischen und empirischen Bezügen des politologischen Werks vermissen. Dagegen wird anhand des Lebensweges deutlich, welche Eindrücke und Erfahrungen Fraenkel beeinflussten und den Sinneswandel vom Marxismus zum Neo-Pluralismus bewirkten. Dass er die studentischen Streiks, Störungen des Vorlesungsbetriebs und persönlichen Invektiven seit 1967 zunehmend als Wiederholung der nationalsozialistischen Boykottaktionen wahrnahm, kann vor diesem Hintergrund kaum überraschen.
Gideon Botsch (GB)
Dr., Dipl. Pol., wiss. Mitarbeiter, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam (http://www.mmz-potsdam.de).
Rubrizierung: 2.3 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Gideon Botsch, Rezension zu: Simone Ladwig-Winters: Ernst Fraenkel. Frankfurt a. M./New York: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9040-ernst-fraenkel_33278, veröffentlicht am 16.07.2009. Buch-Nr.: 33278 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken