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Alex Goldfarb / Marina Litwinenko

Tod eines Dissidenten. Warum Alexander Litwinenko sterben musste. Aus dem Amerikanischen von Violeta Topalova

Hamburg: Hoffmann und Campe 2007; 428 S.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-455-50045-5
Ende 2006 starb in London der ehemalige russische Geheimdienstoffizier Litwinenko an einer Polonium-Vergiftung. Die Strahlendosis entsprach etwa der doppelten Menge des Fallouts, der bei der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl freigesetzt wurde. Sein Tod erregte weltweit Aufsehen, weil bis heute der russische Geheimdienst für diesen Mord verantwortlich gemacht wird. Gemeinsam mit der Witwe hat Goldfarb aber nicht nur die Lebensgeschichte Litwinenkos aufgeschrieben. Er nimmt diese auch als Ausgangspunkt, um sehr konkret die wesentlichen Merkmale der jüngsten politischen Entwicklungen in Russland darzustellen. Goldfarb stützt sich dabei auch auf eigene Erfahrungen und Erkenntnisse: Der Regimekritiker verließ in den siebziger Jahren Russland und unterstützte nach dem politischen Umbruch im Auftrag von George Soros die Versuche, das Land zu demokratisieren. Nachdem Litwinenko das Ausmaß an Korruption und ungesetzlicher Willkür in Geheimdienst und Regierung öffentlich gemacht hatte, half Goldfarb Litwinenko bei der Flucht, überwarf sich deswegen mit Soros, der nicht in Konflikt mit der russischen Regierung geraten wollte, und wurde Leiter der von Boris Beresowski gegründeten International Foundation for Civil Liberties. Beresowski, der zuvor Hauptaktionär eines unabhängigen Fernsehsenders und stellvertretender Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates war, hatte Putin kritisiert – er galt nun wie Litwinenko in dessen Augen als Verräter. Goldfarb charakterisiert Putin nicht als Demokraten, sondern als einen überzeugten Geheimdienstler, der nach einem klaren Freund-Feind-Schema vorgeht. Als wichtigstes Merkmal des politischen Prozesses wird beschrieben, wie der vom KBG zum FSB gewandelte Geheimdienst unter Putins Präsidentschaft wieder an die Schaltstellen der Macht vorrückte. Goldfarb verknüpft diese Entwicklung durchgängig mit dem Konflikt in Tschetschenien, wobei er plausibel nahelegt, dass dieser Krieg dem Geheimdienst und der russischen Regierung als Machtfaktor und Legitimationsmittel dient und deshalb immer wieder angefacht wird.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.62 | 2.25 | 2.21 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Alex Goldfarb / Marina Litwinenko: Tod eines Dissidenten. Hamburg: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9033-tod-eines-dissidenten_32802, veröffentlicht am 27.03.2008. Buch-Nr.: 32802 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken