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Timur Ergen

Große Hoffnungen und brüchige Koalitionen. Industrie, Politik und die schwierige Durchsetzung der Photovoltaik

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Schriften aus dem Max-Planck Institut für Gesellschaftsforschung 83); 343 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-593-50499-5
Politikwiss. Diss. Köln; Begutachtung: J. Beckert. – Strom aus Sonnenstrahlen kostengünstig und emissionsfrei gewinnen – dieses Ziel wird seit mehr als einem Jahrhundert verfolgt. Timur Ergen listet eine ganze Reihe weiterer Vorteile auf, die die Menschen motivierten, auf die Entwicklung der Sonnenenergie zu setzen: Dazu zählen die größere Unabhängigkeit von Förderung und Import begrenzt vorhandener Rohstoffe, die Vermeidung von Risikotechnologien wie Atomkraft, den Klimaschutz, die Schaffung neuer „Green‑Collar‑Arbeitsplätze“ (11) und letztlich eine demokratische, dezentral gestaltete Energieversorgung, die vorbildhaft für weitere Branchen sein könnte. Doch der Autor stellt dieser anhaltend großen Popularität eine lange „Geschichte gescheiterter Versuche, der Sonnenergienutzung zum Durchbruch zu verhelfen“ (11), gegenüber. Er ergründet und diskutiert, warum es bis in die 2000er‑Jahre dauerte, bis die Solar‑Technologie erfolgreich bis hinein in Unternehmensberichte und konservative Wahlprogramme „‚veralltäglicht‘ und institutionalisiert“ (12) wurde. Mit einer historisch‑soziologischen Rekonstruktion will er Gründe aufzeigen, weshalb es einer eigentlich breiten und starken Koalition aus ideellen Befürworten und ökonomisch Interessierten lange Zeit nicht gelang, eine Solarenergie‑Industrie aufzubauen und zu stabilisieren. Zudem kritisiert Ergen die bestehende Forschung zur Entwicklung dieser Branche und die damit verbundenen populären „sozio‑ökonomische[n] Theorien industrieller Organisation“ (14). Im Wesentlichen erfunden wurde die Photovoltaik als Nischentechnologie im Rahmen der frühen Weltraumprogramme. Doch eine Weiterentwicklung hin zur allgemeinen Energieversorgung wurde „nicht ernsthaft finanziert“ (78), da die Rentabilität im Vergleich zu konventionellen Energiequellen nicht ausreichend geklärt schien. Ein wichtiger Wendepunkt in der Entwicklung regenerativer Energiequellen sei die Tschernobyl‑Katastrophe und die verstärkte öffentliche Wahrnehmung des Klimawandels ab 1986 gewesen, so der Autor. Diese Ereignisse hätten die Forderungen nach einem ökologischen Umbau des Energiesystems „wesentlich mehrheitsfähiger und drängender werden“ (174) lassen. Für die jüngste Zeit resümiert Ergen, dass es seit 2009 an „simplen Regelungsfähigkeiten“ (320) gefehlt habe, um mit politischen Initiativen in einer eigentlich guten Ausgangslage ein Gleichgewicht zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Interessen zu finden.
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Rubrizierung: 2.3432.342 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Timur Ergen: Große Hoffnungen und brüchige Koalitionen. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40158-grosse-hoffnungen-und-bruechige-koalitionen_47975, veröffentlicht am 24.11.2016. Buch-Nr.: 47975 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken