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Thomas Schwinn / Gert Albert (Hrsg.)

Alte Begriffe – Neue Probleme. Max Webers Soziologie im Lichte aktueller Problemstellungen

Tübingen: Mohr Siebeck 2016; IX, 465 S.; brosch., 49,- €; ISBN 978-3-16-154194-0
Bereits im ersten Absatz ihrer Einleitung stellen die beiden Herausgeber fest: „Erinnern müsste man an den Mann eigentlich nicht mehr“ (1). Denn angesichts der inzwischen weltumspannenden Rezeption und Reputation Max Webers sei fast alles zu ihm und seinem Werk gesagt. Gefragt seien deshalb nicht rezeptionsgeschichtliche Zugänge, sondern vielmehr „Anstrengungen, die Webers Soziologie in Konfrontation mit zeitgeschichtlichen Problemlagen entfalten und weiterentwickeln“ (5). Und genau hier setzt dieser Band mit seiner beachtlichen thematischen Breite an: Aktuelle sozialwissenschaftliche Themen werden im Kategoriensystem Webers eindrücklich gespiegelt und verweisen damit zurück auf das umfassende und auch noch heute zukunftsweisende Œuvre des Begründers der modernen Soziologie. Den Auftakt zu dieser Auseinandersetzung bildet eine zeithistorisch‑biografische Einordnung von Webers Fragestellungen, die Rainer Lepsius vornimmt. Er verweist auf die eigentliche Aktualität von Webers Ansatz, der immer durch eine „Doppelperspektive“ geprägt gewesen sei – „eine strukturalistische, auf die Institutionen, und eine kulturelle, auf die Legitimationsformen“ (24). Nach zwei Beiträgen zu modernen Formen des religiösen Fundamentalismus und Säkularismus von Martin Riesebrodt und Hans G. Kippenberg wendet sich Andreas Anter im dritten Abschnitt des Bandes am Beispiel der „EU‑Superbürokratie“ einer dieser neuen „Formen der nationalen und transnationalen Herrschaftsausübung“ (117) zu. Damit knüpft er an den bei Weber so omnipräsenten Terminus der „Herrschaft“ und seine „Furcht vor Mechanisierung und Disziplinierung“ (120) an. Angesichts diverser „failed states“ konstatiert Anter im Rückgriff auf Weber, dass der Staat „der wichtigste konstitutive Bestandteil ‚jedes Kulturlebens‘“ sei. Deshalb sei ein „State‑building“ geradezu unerlässlich – allerdings nicht mehr im bisher verstandenen Sinne von „Entstaatlichung und Deregulierung“ (127). Ähnlich inspirierend liest sich auch der Beitrag von Christoph Deutschmann zu Max Weber und dem heutigen Finanzmarktkapitalismus – auch wenn seine zentrale Annahme diskussionswürdig bleibt, wonach „die planmäßige Zurückdrängung der Unsicherheiten des innovativen Prozesses und das Streben nach umfassender finanzwirtschaftlicher Transparenz“ (149) als Krisensymptome zu werten seien. Neben Abschnitten zu der Aktualität von Webers Kultursoziologie und den „modernen Varianten des Charismas“ (285) geht es im achten Abschnitt dann nochmals um die Frage der sozialen Ungleichheit. Insgesamt zeigen Herausgeber und Autoren damit eindrucksvoll, wie sehr auch sozialwissenschaftliche Analysen der Gegenwart von Rückgriffen auf die „Vorväter“ profitieren können.
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Rubrizierung: 5.425.412.25.22.23 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Thomas Schwinn / Gert Albert (Hrsg.): Alte Begriffe – Neue Probleme. Tübingen: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40128-alte-begriffe--neue-probleme_48191, veröffentlicht am 20.10.2016. Buch-Nr.: 48191 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken