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Enikő Dácz / Christina Griessler / Henriett Kovács (Hrsg.)

Der Traum vom Frieden – Utopie oder Realität? Kriegs- und Friedensdiskurse aus historischer, politologischer und juristischer Perspektive (1914-2014)

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2016 (Andrássy Studien zur Europaforschung 15); 306 S.; brosch., 58,- €; ISBN 978-3-8487-2265-5
Der Erste Weltkrieg war in vielerlei Hinsicht eine Zäsur und leitete das Ende der Großmachtstellung Europas ein. Von den brutalen Erfahrungen des Krieges geprägt entstand der Wunsch, eine dauerhafte und stabile Friedensordnung zu schaffen. Auch wenn dies nicht gelang, so sind hier die Grundsätze des modernen Völkerrechts ebenso zu verorten wie die Schaffung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und Kooperation. Ausgehend vom Bezugsrahmen des Ersten Weltkriegs werden in diesem Band zwei Punkte aufgegriffen: Erstens werden die Kriegs‑ und Friedensdiskurse aus politologischer, historischer und juristischer Perspektive analysiert. Der Fokus liegt dabei, zweitens, auf dem mittel‑ und südosteuropäischen Raum. Juliane Brandt zeigt beispielsweise mittels einer Analyse deutschsprachiger evangelischer Zeitungen in Ungarn, wie sich der Diskurs von einer hohen Wertschätzung des Friedens über eine zuversichtliche Unterstützung des Krieges hin zu einer pessimistischen Einschätzung der Lage verschob, die gleichsam als göttliche Prüfung angesehen wurde. Henriett Kovács analysiert die ungarische Friedensbewegung am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Deren Vertreter waren zwar grundsätzlich pazifistisch orientiert, doch die komplexe Mischung aus Patriotismus, Bedrohungsempfinden und der Frage der Rechtmäßigkeit des Krieges führte zu ihrem Untergang: „Während die einen ihre prinzipielle Haltung bewahrten und den Krieg als einen zivilisatorischen Rückfall interpretierten, bejahten die anderen in Übereinstimmung mit der offiziellen Haltung und der Volksmeinung die Notwendigkeit, für die Verteidigung des Landes alle Anstrengungen zu übernehmen“ (100). Die Entwicklung des Idealismus und damit der Lehre der internationalen Beziehungen erörtert Christina Griessler. Dabei steht die Vision Woodrow Wilsons im Zentrum der Analyse, der mit seinen 14 Punkten eine stabile Nachkriegsordnung schaffen wollte. Ironischerweise scheiterte der Beitritt der USA in dem von ihm initiierten Völkerbund am Widerspruch des US‑Senats. Dennoch seien idealistische Ansätze und Wilsons Ideen nach wie vor aktuell. „Institutionen, wirtschaftliche Abhängigkeit, internationale Reputation, politische und moralische Normen und die politische Interdependenz der Staaten beschränken die Umsetzung der Eigeninteressen.“ (184). Weitere Autoren thematisieren die Internationalen Menschenrechte, die Frage nach dem Kantischen Ewigen Frieden im 21. Jahrhundert oder das Verhältnis Ungarns zum Völkerbund. Gerade der darlegte regionale Schwerpunkt macht den Band so interessant, auch wenn er zeitlich gesehen zu großen Teilen die unmittelbare Vor‑ und Zwischenkriegszeit abdeckt und nicht – wie auf dem Titel angegeben – die Entwicklung bis in das Jahr 2014 aufzeigt.
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Rubrizierung: 4.15.445.33 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Enikő Dácz / Christina Griessler / Henriett Kovács (Hrsg.): Der Traum vom Frieden – Utopie oder Realität? Baden-Baden: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40037-der-traum-vom-frieden--utopie-oder-realitaet_48245, veröffentlicht am 01.09.2016. Buch-Nr.: 48245 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken