Skip to main content
Geoffroy de Lagasnerie

Die Kunst der Revolte. Snowden, Assange, Manning. Aus dem Französischen von Jürgen Schröder

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2016; 160 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-518-58687-7
Chelsea Manning, Edward Snowden und Julian Assange sind für Geoffroy de Lagasnerie mitnichten nur Whistleblower, die ihr Wissen um geheime sowie illegale Praktiken von zumeist staatlichen, aber auch wirtschaftlichen Institutionen der Öffentlichkeit bekannt machen beziehungsweise – im Falle Assanges – eine Plattform hierfür bieten. Vielmehr handle es sich bei ihnen um exemplarische Figuren einer neuen Art politischen Denkens und Handelns, Gegensubjekte bisheriger politischer Subjektivierungen. Vor allem lassen sich nach Ansicht des Autors die Aktionen von Whistleblowern nicht vermittels Theorien zivilen Ungehorsams deuten, weil dieser an ein öffentliches Erscheinen des Ungehorsamen und dessen Bereitschaft, die strafrechtliche Verantwortung für seinen Bruch mit dem Gesetz zu übernehmen, gebunden ist. Während Snowden und Assange zwar öffentliche Figuren sind, entziehen sie sich doch per Exil dieser Verantwortung, die freilich die prinzipielle Treue zu den Werten der Rechtsordnung symbolisiert, die es durch den Akt des zivilen Ungehorsams wiederherzustellen gilt. So einleuchtend die Begründung ist, die de Lagasnerie hierfür anführt, nämlich die Gewalt der staatlichen Rechtsordnung, der ich zwar per Zufall angehöre, der ich mich gleichwohl unfreiwillig zu unterwerfen habe, erweckt er doch den Eindruck, die von ihm forcierte Möglichkeit der Wahl der Rechtsordnung sei im Hinblick auf die oben genannten Protagonisten nicht mehr als ein Persilschein für die Flucht vor den Pflichten, die mit einer Rechtsordnung einhergehen. Die von ihm in Anlehnung an Giorgio Agamben kritisierte Tendenz der Perpetuierung des Ausnahmezustandes im Kampf gegen den internationalen Terrorismus überträgt er schlicht auf seine Helden; diese mahnen zwar die Bindung der staatlichen Behörden an das Gesetz an, fühlen sich selbst freilich nicht mehr an diese gebunden. Diese Art der theoretischen Verteidigung macht es den Kritikern Snowdens und Assanges – zu denen der Rezensent sich nicht zählt – allzu leicht, den Vorwurf des Verrats gegen sie auszuspielen. Noch bedenklicher stimmt die Begründung der Anonymität: De Lagasnerie will die Entflechtung von Politik und Öffentlichkeit, eine reine Form der Politik, ohne die ethische Dimension der Anerkennung als Gleichberechtigte im öffentlichen Raum. Politik in diesem Sinne würde zu einer Guerillataktik herabsinken, die als Nadelstich im Fleische autoritärer Herrschaft legitim sein mag, einer demokratischen Politik bei allem notwendigen Schutz für Whistleblower aber nicht würdig ist.
{PS}
Rubrizierung: 5.422.222.23 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Geoffroy de Lagasnerie: Die Kunst der Revolte. Frankfurt a. M.: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40006-die-kunst-der-revolte_48392, veröffentlicht am 18.08.2016. Buch-Nr.: 48392 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken