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Horacio Verbitsky

Der Flug. Wie die argentinische Militärdiktatur ihre Gegner im Meer verschwinden ließ. Aus dem Spanischen von Sandra Schmidt

Wien: Mandelbaum Verlag 2016; 199 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-85476-499-1
Bereits 1995 erschien in Argentinien Horacio Verbitsky Buch „‚El Vuelo‘“ (8), jetzt liegt die deutsche Übersetzung von Sandra Schmidt vor. Im Mittelpunkt stehen die Gespräche des Autors mit dem Marineoffizier Adolfo Scilingo. Dieser sei damals der erste Tatbeteiligte gewesen, der aus erster Hand über die Verbrechen der argentinischen Militärjunta von 1976 bis 1983 berichtet habe, erläutert Wolfgang Kaleck in seinem Vorwort. Der deutsche Menschenrechtsanwalt beschreibt das Thema des Buches als eines „der grausamsten Kapitel“ (8) der Diktatur. Oppositionelle und Dissidenten wurden nicht nur verhaftet und gefoltert, die Machthaber ließen viele von ihnen auf besonders schreckliche Weise auf sogenannten Todesflügen verschwinden: Die betäubten, aber lebenden Gefangenen seien aus Flugzeugen über dem Meer abgeworfen worden. Das Buch habe damals in der argentinischen Gesellschaft ein großes Echo ausgelöst, das auch zu einer verstärkten gerichtlichen Aufarbeitung der Taten geführt habe. Verbitsky beginnt seinen Text, indem er die erste Begegnung mit Scilingo schildert. Zuerst habe er diesen aufgrund seines ärmlichen Erscheinungsbildes für ein Opfer „des berüchtigtsten geheimen Konzentrationslagers“ (15), der ESMA (Escuela de Mecánica de la Armada), gehalten. Doch Scilingo habe sich ihm als Täter zu erkennen gegeben, dem befohlen worden sei, „‚an der Grenze der Gesetzmäßigkeit zu handeln‘“ (21). Verbitsky lässt sich vom ihm detailliert den Tatablauf schildern: Den „Subversiven“ (31) seien unter dem Vorwand einer Impfung Betäubungsmittel gespritzt worden. Anschließend sei den benommen Menschen geholfen worden, in ein Flugzeug zu steigen. Weil sie betäubt worden seien und damit beim Tod vorgeblich nicht gelitten hätten, sei die Methode selbst von der Kirche als „ein christlicher Tod“ (38) akzeptiert worden, behauptet Scilingo. „‚Es war normal, auch wenn es aus heutiger Sicht wie eine Monstrosität wirkt.‘“ (30) Im aktualisierten Epilog seines Buches beschreibt Verbitsky, wie Scilingo als Rache für seine Aussagebereitschaft schon bald aus der Marine entlassen und in einem fingierten Gerichtsprozess wegen eines Betrugsdeliktes verurteilt worden sei. Später sei er dann in Spanien wegen seiner Beteiligung an den Verbrechen in der Diktatur zu insgesamt „1084 Jahre[n]“ (151) Gefängnis verurteilt worden. Im Anhang enthält das Buch eine Chronologie sowie ein Personen‑ und Quellenverzeichnis.
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Rubrizierung: 2.652.252.23 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Horacio Verbitsky: Der Flug. Wien: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40002-der-flug_48414, veröffentlicht am 18.08.2016. Buch-Nr.: 48414 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken