Skip to main content
Ali Mosfer

Fragilitäten des Rechtsstaates seit dem 11. September 2001 im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2015 (Frankfurter kriminalwissenschaftliche Studien 151); 230 S.; 54,95 €; ISBN 978-3-631-66956-3
Diss. Frankfurt; Begutachtung: P.‑A. Albrecht, W. Naucke. – Von der Öffentlichkeit wird das Bundesverfassungsgericht im Politikfeld Innere Sicherheit als „Hüter der Freiheit“ wahrgenommen. Ali Mosfer stellt dies infrage. Nach einer Einführung in die theoretischen und normativen Grundlagen von Freiheit und Verfassungsgerichtsbarkeit gibt er einen detaillierten Überblick über die Sicherheitspakete seit 9/11: von den „Otto‑Katalogen“ unter Innenminister Schily bis zum dritten Anti‑Terror‑Paket sowie zu weiteren Sicherheitsgesetzen, etwa im Bereich Luftsicherheit, Vorratsdatenspeicherung und Geldwäschebekämpfung. In seiner Bewertung stellt Mosfer folgende massive Tendenzen in der Gesetzgebung fest, die im Ansatz aber schon vor 9/11 begonnen hätten: 1. Verpolizeilichung des Strafrechts („Prävention“), 2. Abbau strafprozessualer Garantien, 3. Kompetenzausbau bei Polizei‑ und Geheimdienstbehörden, 4. Einzug feindstrafrechtlicher Konzepte („Bekämpfungsgesetze“). Dieser Wandel habe sich unter einem breiten gesellschaftlichen Konsens nahezu ohne Opposition vollzogen. Hieran schließt sich im zweiten Hauptteil eine Fallanalyse an, in der alle wichtigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom „Großen Lauschangriff“ (2004) über „Präventive Rasterfahndung“ (2006) und „Online‑Durchsuchung“ (2008) bis zur „Antiterrordatei“ (2013) untersucht werden. Das Ergebnis fällt ambivalent aus. Zwar habe das Gericht klare Urteile zum Schutz individueller Freiheit gefällt; in einer Reihe von „Ja, aber‑Entscheidungen“ werde jedoch auch deutlich, dass es den „sicherheitspolitischen Trend […] nicht stoppen, sondern lediglich verlangsamen [… kann]“ (202). Vergleichende Fallanalysen sind ein echtes Desideratum der Forschung, weil so die rechtspolitische Dimension von Verfassungsrechtsprechung besonders deutlich wird. Wünschenswert wäre eine stärkere theoretische Anbindung an die Frage gewesen, ob und wie Verfassungsgerichte überhaupt als „Gegenregierungen“ funktionieren können.
{RVO}
Rubrizierung: 2.3232.32 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Ali Mosfer: Fragilitäten des Rechtsstaates seit dem 11. September 2001 im Spiegel der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Frankfurt a. M. u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39974-fragilitaeten-des-rechtsstaates-seit-dem-11-september-2001-im-spiegel-der-rechtsprechung-des-bundesverfassungsgerichts_48179, veröffentlicht am 04.08.2016. Buch-Nr.: 48179 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken