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Thorsten Gromes / Bernhard Moltmann / Bruno Schoch

Die Überwindung der Gewalt. Demokratisierung von außen in Nachbürgerkriegsgesellschaften. Eine Einführung

Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2016 (uni studien politik 61); 189 S.; 14,80 €; ISBN 978-3-7344-0200-5
Mit dem Vorhaben, Gesellschaften befrieden zu wollen, die durch innerstaatliche Gewaltkonflikte gespalten sind, habe die Staatengemeinschaft in den Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg Neuland betreten, schreiben die Autoren. Die anfängliche „Demokratisierungseuphorie“ (8) sei heute mit tiefen Vorbehalten gegenüber militärischem Eingreifen und von außen initiierter Demokratisierung konfrontiert, mit der Überzeugung also, dass Gewalt niemals zur Lösung von Konflikten tauge, sondern diese nur noch verschlimmere. Dieses Verdikt sei aber, so Thorsten Gromes, Bernhard Moltmann und Bruno Schoch, allesamt Mitarbeiter an der Hessischen Stiftung Friedens‑ und Konfliktforschung (HSFK), in dieser Allgemeinheit falsch – Fatalismus wie Naivität „seien gleichermaßen fehl am Platz“ (169). Das Scheitern des Westens in Afghanistan und die enormen Schwierigkeiten in Bosnien und Herzegowina, ethno‑nationalistische Machtkämpfe zu überwinden und Demokratisierung nicht als Fremdbestimmung durch externe Akteure zu gestalten, diskreditierten keineswegs die Strategie externer Demokratisierung als solche, so Bruno Schoch im ersten Kapitel zur Problematik im historischen Kontext, also dem Ende des Ost‑West‑Gegensatzes und der starken Zunahme militärischer Einsätze: Zu unterscheiden sei dabei zwischen sogenannten humanitären Interventionen, die auf eine Unterbindung von Massakern und „ethnische Säuberungen“ abzielten, und einer etwa von George W. Bush verfolgten „aggressive[n] Demokratisierungspolitik mit militärischen Mitteln“. Letztere sei von der „naiven Vorstellung“ (16) geleitet gewesen, ein erzwungener Wechsel an der Spitze eines Staates führe gleichsam von selbst zur Demokratie. Angesichts dieser begrifflichen Unschärfe der „(externen) Demokratisierung“ und der von den Autoren identifizierten Forschungslücke ist ihr Anliegen, einen Beitrag zur Differenzierung in der Debatte zu leisten und „falsche[n] Verallgemeinerung[en]“ (31) in diesem aktuellen wie hochbrisanten Themenfeld entgegenzuwirken, sehr zu begrüßen. In Bosnien und Herzegowina könne Demokratisierung durch die Etablierung demokratischer Institutionen und den deutlichen Rückgang politischer Gewalt einen doppelten Erfolg vorweisen, so Gromes. Die „ethnische Polarisierung“ (92, Schoch) sei aber weder in Bosnien und Herzegowina noch im Kosovo überwunden. Mit Blick auf Nordirland resümiert Moltmann: Demokratisierung vermöge Konflikte zwar stillzulegen, „aber nicht wirklich zu transformieren“ (135). Für eine Überwindung der politischen Polarität seien Veränderungen in der gesellschaftlichen Kulturdynamik notwendig. Dass drei Fallstudien noch keine abschließenden Generalisierungen erlauben, ist den Autoren bewusst. Auch als Plädoyer für eine weitere Beschäftigung mit dem Themenfeld in kontextualisierender Absicht ist ihr gut lesbarer und reflektierter Überblick allerdings sehr zu empfehlen.
{SIM}
Rubrizierung: 4.414.444.22.61 Empfohlene Zitierweise: Hendrik Simon, Rezension zu: Thorsten Gromes / Bernhard Moltmann / Bruno Schoch: Die Überwindung der Gewalt. Schwalbach/Ts.: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39786-die-ueberwindung-der-gewalt_48127, veröffentlicht am 30.06.2016. Buch-Nr.: 48127 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken