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Alke Jenss

Grauzonen staatlicher Gewalt. Staatlich produzierte Unsicherheit in Kolumbien und Mexiko

Bielefeld: transcript Verlag 2016 (GlobalStudies); 491 S.; kart., 49,99 €; ISBN 978-3-8376-3251-4
Diss. Marburg; Begutachtung: D. Boris, J. Kannankulam. – Alke Jenss bietet eine Erklärung für die Persistenz der strukturellen Gewalt in Mexiko und Kolumbien und eine Begründung für die These, dass der „Staat keine neutrale Rolle einnimmt“ (24). Damit richtet sie sich explizit gegen die These des „fragilen“ oder „gescheiterten“ Staates und verweist auf die unscharfen Grenzen, die zwischen legalem/illegalem und formellem/informellem staatlichen Handeln gezogen werden. Ausgehend von der Staatskonzeption Poulantzas‘, die sowohl den unterschiedlichen Machtzugang gesellschaftlicher Akteure als auch die Verschränkungen zwischen Politik und Ökonomie in den Blick nimmt, analysiert die Autorin die gesellschaftlichen Kräfte, die um verschiedene hegemoniale Projekte ringen. Dafür werden zunächst grundlegende Konfliktlinien aus der Historie der beiden Staaten in einer Sozialstrukturanalyse (Kapitel 3) und deren Veränderungen in den vergangenen zehn Jahren (Kapitel 4) herausgearbeitet, um im Feld der Sicherheitspolitik exemplarisch die „materielle[…] Verdichtung eines vorläufigen Kräfteverhältnisses in Programmen, Gesetzen und Staatsapparaten“ (109) sichtbar zu machen (Kapitel 5). Die auch aus Experteninterviews gewonnen Ergebnisse zeigen, dass sich in beiden Staaten „Symptome des Autoritären Etatismus“ (417) in Form informeller Netzwerke und einer Verschränkung von Exekutive und Judikative finden. Die Autorin konstatiert zudem eine Dezentralisierung des staatlichen Gewaltmonopols durch die „Stärkung regionaler, substaatlicher Machtkonfigurationen mit autonomen Gewaltbefugnissen“ (418). Besonders der „war on drugs“ überdecke sozioökonomische Ungleichheiten, beeinträchtige Kapitalinteressen kaum und trage teilweise zur Ausweitung von ökonomischen Verwertungsräumen bei. Die Berücksichtigung der konkreten landesspezifischen Gegebenheiten – relevante Akteure, Einbindung in den Weltmarkt und ökonomische Ungleichheit – erlaubt so ein differenziertes Bild der Rolle des Staates in und sein Beitrag zu den Gewaltverhältnissen in Kolumbien und Mexiko. Zugleich ist die Studie ein Beispiel dafür, wie eine komplexe Analyse von Staatlichkeit funktionieren kann.
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Rubrizierung: 2.655.412.212.25 Empfohlene Zitierweise: Sven-Jacob Sieg, Rezension zu: Alke Jenss: Grauzonen staatlicher Gewalt. Bielefeld: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39760-grauzonen-staatlicher-gewalt_48146, veröffentlicht am 16.06.2016. Buch-Nr.: 48146 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken