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Carlo Strenger

Zivilisierte Verachtung. Eine Anleitung zur Verteidigung unserer Freiheit

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2015 (edition suhrkamp); 104 S.; 3. Aufl.; 10,- €; ISBN 978-3-518-07441-1
Seit den jüngsten terroristischen Anschlägen in Europa scheint es an der Zeit zu sein, Fragen der gesellschaftlichen Toleranz nachzugehen und das kollektive Herangehen an die daraus resultierenden Problematiken neu zu verhandeln. Der Autor fragt, inwieweit der „aufgeklärte Westen“ sich anhand einer falsch verstandenen „Political Correctness“ selbst ein phänomenales Eigentor geschossen hat und zum Opfer von Intoleranz geworden ist. Carlo Strenger, Professor der Psychologie an der Universität Tel Aviv, schafft es ohne jegliche Weitschweifigkeit in zehn Kapiteln, die durchaus als eigenständige Essays gelesen werden können, seine Argumentation für eine aktive Verteidigung der westlichen Aufklärungswerte gegen den aktuellen Trend der Political Correctness zu entfalten. Jedes Element in seiner Argumentationskette wird durch kurze, erläuternde Beispiele veranschaulicht und auf den Punkt gebracht. Auf weniger als 100 Seiten attackiert Strenger das Konzept der politischen Korrektheit und kritisiert vor allem die politische Mitte und die sich selbst neutralisierenden Linken, da diese die Verteidigung einer liberalen Demokratie und deren Grundwerte an die Rechte abgetreten hätten. Der Autor fordert das Gegenteil, nämlich eine Kultur der zivilisierten Verachtung. In einer solchen Gesellschaft könnte ohne Angst vor Gewalt mit Argumenten kritisiert und könnten polemische Karikaturen veröffentlicht werden. Diese aufklärerische Liberalität definierte er bei einem Interview auf der Leipziger Buchmesse: „Ein zivilisierter Mensch zu sein, heißt, dass man Kränkungen ertragen kann, ohne zur Gewalt zu greifen.“ Der Autor stellt also fest, dass die Voraussetzung, um die liberale Ordnung und die von ihm als europäisches Charakteristikum festgemachte Liebe zur Freiheit verteidigen zu können, sei, Kränkungen zu ertragen. „Zivilisierte Verachtung“ ist gut lesbar, hinterfragend, ein skeptisches und auch intelligentes Plädoyer für die Verteidigung der abendländischen Werte. Strengers Essay eignet sich als Einführungsbuch in die Thematik und richtet sich an ein breites Publikum. Seine Aussagen auf den Punkt gebracht: „Wenn andere Kulturen nicht kritisiert werden dürfen, kann man die eigene nicht verteidigen.“ (19)
{BOU}
Rubrizierung: 2.23 Empfohlene Zitierweise: Alejandro Boucabeille, Rezension zu: Carlo Strenger: Zivilisierte Verachtung. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39739-zivilisierte-verachtung_47535, veröffentlicht am 09.06.2016. Buch-Nr.: 47535 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken