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Friedrich Wolff (Hrsg.)

Das Politbüro der DDR vor Gericht

Berlin: BWV Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH 2016; 1.115 S.; 149,- €; ISBN 978-3-8305-3570-6
„In der DDR war nichts geschehen, was auch nur im Entferntesten mit My Lai oder Auschwitz vergleichbar gewesen wäre.“ (13) Mit diesem Satz kritisiert der Herausgeber, dass die nach der Wende eingeleiteten Gerichtsverfahren gegen SED‑Funktionäre in die Nähe der Nürnberger Prozesse gestellt worden seien. Überhaupt war für Wolff die juristische Aufarbeitung des DDR‑Unrechts „ein Flop“ (13). So seien viele der angeklagten Politbüromitglieder aus gesundheitlichen Gründen nicht verurteilt worden. Nach „dem Anschluss der DDR an die BRD“ (13), wie Wolff es formuliert, seien Strafverfahren gegen mehr als 100.000 Beschuldigte aufgenommen worden. Er selbst verteidigte als Rechtsanwalt unter anderem Hans Modrow und Erich Honecker. Sein Buch stellt vor allem eine Dokumentensammlung von Unterlagen aus Prozessen gegen ehemalige SED‑Größen dar. Die Verfahren fanden demnach zwischen 1989 und 2004 unter anderem gegen Erich Honecker, Erich Mielke, Willi Stoph und Heinz Keßler, Hermann Axen, Werner Krolikowski und Harry Tisch statt. Doch der Beschuldigtenvernehmung von Honecker etwa ist nicht viel zu entnehmen. Auf die Vorhaltung, dass er verantwortlich war für „Regelungen über die Schußwaffenanwendung und die Minensperren sowie Selbstschußanlagen“ (51) an der innerdeutschen Grenze, reagierte er mit Aussageverweigerung und dem Hinweis auf seinen schlechten Gesundheitszustand. Egon Krenz beklagte 2000 in einer Wortmeldung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, dass die juristische Verfolgung wegen „Grenzzwischenfällen“ (670) so nur in Deutschland stattfinde. In anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks wie Bulgarien oder Russland, in denen die gleichen Grenzregime zu finden gewesen seien, würden die Beteiligten nicht vor Gericht belangt. Dass Krenz die Toten und Verletzten an der Mauer nicht verhindern habe können, so die weitere Aussage, mache ihn betroffen und er zähle es zur „Negativseite“ seiner „Lebensbilanz“ (674). Einer Kommentierung der Akten und Protokolle will sich Herausgeber Wolff enthalten. Als Abschluss des Buches versammelt er jedoch eine ausführliche Zusammenstellung ausgewählter kommentierender Zitate, die er als „[k]ritische Stimmen aus Rechtswissenschaft, Rechtspraxis und veröffentlichter Meinung zur Vergangenheitsbewältigung durch Strafrecht“ (1.069) bezeichnet.
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Rubrizierung: 2.352.3232.3142.315 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Friedrich Wolff (Hrsg.): Das Politbüro der DDR vor Gericht Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39714-das-politbuero-der-ddr-vor-gericht_48268, veröffentlicht am 26.05.2016. Buch-Nr.: 48268 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken