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Kolja Möller

Formwandel der Verfassung. Die postdemokratische Verfasstheit des Transnationalen

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (Edition Politik); 240 S.; 29,99 €; ISBN 978-3-8376-3093-0
Diss. Flensburg; Begutachtung: H. Brunkhorst, A. Fischer‑Lescano. – In einer Synthese von postmarxistischen, system‑ und demokratietheoretischen Perspektiven versucht Kolja Möller, den Charakter transnationaler Konstitutionalisierungsprozesse zu bestimmen. Denn weder bewegt sich die entstehende Weltgesellschaft in einem rechtsfreien Raum, noch lassen sich die zunehmenden Verrechtlichungsprozesse als simple Fortschreibung nationaler Verfassungen auf die inter‑ beziehungsweise transnationale Ebene fassen. Vielmehr, so zeigt Möller anhand zahlreicher Beispiele, durchläuft die Verfassung einen Formenwandel und weist kaum noch funktionale Äquivalente zur klassisch national‑demokratischen Verfassung auf. Zum einen wird das verfassungsrechtliche Terrain fragmentierter – und damit gleichsam unübersichtlicher und weniger demokratisch kontrollierbar. Zum anderen verschiebt sich auf transnationaler Ebene das Verhältnis zweier kollidierender, der modernen Verfassung inhärenter „Subverfassungen“ (26): Die Verfassung als Ort der Herrschaftskritik (pouvoir constituant) wird zugunsten der Verfassung als Ort der Herrschaftsausübung (pouvoir constitué) zurückgedrängt. Hier schließt sich Möller explizit der Postdemokratie‑These an, wie sie prominent unter anderem von Colin Crouch vertreten wurde. Um verlorenes Terrain zurückzugewinnen, so die Schlussfolgerung des Autors im Anschluss an Claude Lefort, müsse auch die demokratische Öffentlichkeit einen Formenwandel durchlaufen und sich von einer konstituierenden Gewalt zu einer „destituierenden Macht“ (179 ff.) entwickeln. So schlüssig diese Argumentation auf den ersten Blick klingen mag, so fraglich erscheint angesichts der an dieser Stelle recht abstrakten Argumentation des Autors, ob es sich hier um eine hinreichende Voraussetzung für eine Demokratisierung der Weltgesellschaft handelt – schaffen „Organe der Negativität“ doch alleine noch keinen konstruktiven Diskurs über demokratische Alternativen. Dessen ist sich Möller allerdings wohl auch bewusst, wenn er auf die Notwendigkeit verweist, dass „die herrschaftskritische potentia kommunikativer Macht eine transnationale potestas als verfasste Gegenmacht ausbildet“ (207). Auf welchem Wege kann dies geschehen? – Diese zentrale Frage bleibt leider am Ende des Buches offen. Ungeachtet dessen legt Möller einen der anspruchsvolleren Beiträge zur transnationalen Demokratiedebatte vor.
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Rubrizierung: 5.412.2 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Kolja Möller: Formwandel der Verfassung. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39706-formwandel-der-verfassung_47931, veröffentlicht am 26.05.2016. Buch-Nr.: 47931 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken