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Thomas Gross

Die Legitimation der polyzentralen EU-Verwaltung

Tübingen: Mohr Siebeck 2015; XX, 205 S.; brosch., 64,- €; ISBN 978-3-16-154204-6
Der europäische Integrationsverlauf im Allgemeinen und die EU‑Strukturen im Besonderen füllen inzwischen auch deshalb ganze Bibliotheken, weil der Analysetrend in Richtung Spezialisierung geht. Während beispielsweise theoretische Ansätze oder generalisierende Betrachtungen rückläufig sind, wächst auch das Schrifttum zur Legitimität der EU. Diese wird in der Regel über die Kompetenzausstattung von Parlament, Kommission und Rat diskutiert und zusätzlich seit einigen Jahren über das Transparenzproblem revitalisiert. Von daher kann Thomas Gross auf ein breites Fundament aufbauen, wenn er die EU zuerst als Bürokratie und dann erst als politisches Gefüge dechiffriert. Ihn interessiert die sich von den nationalen Hauptstädten lösende Handlungslogik einer Administration, die er ähnlich wie Elinor Ostrom als polyzentrisch auffasst und auf ihre Legitimitätsfunktionen hin untersucht. Die Rechtskonstruktion dahinter klingt vertraut: Die Kommission fungiert einmal als Kollegium und einmal als Kopf der Verwaltung, Ähnlichkeiten mit einer staatlichen Regierung werden schon länger diskutiert. Für Gross ist es eine an Max Weber erinnernde und sich seit etwa 2009, dem Vertrag von Lissabon, festigende hierarchische Ordnung, die an der Schnittstelle von Völker‑ und europäischem Verwaltungsrecht einmal mehr den sui‑generis‑Charakter der EU unterstreicht. Diese Ordnung bedingt einen Unterbau, wie ihn die europäischen (Exekutiv‑)Agenturen inzwischen bieten können. Ob die Europäische Zentralbank hier als einer der Satelliten bezeichnet werden kann, ist diskussionswürdig. Da Gross die EU‑Administration für polyzentrisch strukturiert hält, was aufgrund der vielen (institutionellen) Standorte und der hier interessierenden Frage der Kompetenzverteilung auch sinnvoll ist, wird auch ihr räumlicher, weil grenzübergreifender Charakter greifbar. Die sich daraus für die Kommission, die Agenturen und die EZB ergebenden Herausforderungen fasst der Autor in knappen Reformüberlegungen zusammen. So spricht er sich unter anderem für eine Stärkung der Agenturen aus, da diese die Kommission durch ihre Spezialisierung entlasten und an das Ausschusswesen des Parlaments anschlussfähiger werden lassen. Gross argumentiert schlüssig, sein Blick reicht über Lissabon hinaus.
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Rubrizierung: 3.3 Empfohlene Zitierweise: Martin Schwarz, Rezension zu: Thomas Gross: Die Legitimation der polyzentralen EU-Verwaltung Tübingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39696-die-legitimation-der-polyzentralen-eu-verwaltung_48188, veröffentlicht am 19.05.2016. Buch-Nr.: 48188 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken