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Felix Heidenreich / Didier Mineur / Daniel Schulz (Hrsg.)

Die Bürger und ihr Staat in Deutschland und Frankreich/Les citoyens et leur État en France et en Allemagne

Berlin: Lit 2015 (Kultur und Technik 28); 130 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-643-12917-8
Der Sammelband geht auf ein bereits 2011 veranstaltetes deutsch‑französisches Graduiertenkolloquium zurück. Die Beiträge kreisen um die Frage, ob und inwieweit Krisendiagnosen der Demokratie in Deutschland und Frankreich einander ähneln. In beiden Ländern, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, seien unbestreitbar ähnliche Symptome zu beobachten: eine verbreitete Unzufriedenheit mit politischen Parteien, eine weithin rückläufige parteipolitische Beteiligung und ein immer weiter steigender Anteil von Nichtwählern, ungeachtet dessen, auf welcher Ebene – lokal oder national – gerade Wahlen anstehen. Die Kontroverse beginne indes schon bei der Ausdeutung dieser Symptome. Eine ausbleibende Wahlbeteiligung könne schließlich auch als implizites Einverständnis mit den herrschenden Gegebenheiten interpretiert werden. Didier Mineur unternimmt in seinem Beitrag den Versuch, die Krise der Demokratie als eine „Entfremdung von Repräsentanten und Repräsentierten“ (40) zu rekonstruieren. Eine repräsentative Demokratie könne es den Repräsentierten deshalb nie vollständig ermöglichen, sich in den Repräsentanten wiederzuerkennen, weil der im Moment der Wahl postulierte einheitliche Wille von Wählern und Partei über die Dauer einer Legislaturperiode nicht aufrechtzuerhalten sei. Dass eine „gute Repräsentation“ (53) schlichtweg nicht möglich sei, ist dann nur eine folgerichtige Konsequenz; was allerdings aus dieser Konsequenz jenseits eines bloßen Ertragens politisch‑praktisch zu folgen hat, bleibt unbestimmt. Auch die im Anschluss an Mineur naheliegende Entgegnung, doch anstelle der Repräsentation mehr Partizipation zu wagen, ist kaum weniger problematisch, wie Nabila Abbas in ihrem Beitrag verdeutlicht. In einer Rekonstruktion der Positionen Pierre Bourdieus und Jacques Rancières zeigt sie, dass auch eine noch so partizipationsorientierte Demokratie stets einer gewissen Ungleichheit unterliegt. Für Eliten, so hat insbesondere Bourdieu herausgestellt, ist politische Teilhabe immer noch leichter umzusetzen als für bildungsferne Schichten der Bevölkerung. Ob dieser Problematik mit einer Fokussierung auf die politischen Institutionen beizukommen ist, wie sie Abbas bei Bourdieu gegeben sieht, ist eine andere Frage. Die Beiträge liegen entweder in deutscher oder in französischer Sprache vor.
{LEM}
Rubrizierung: 2.22.614.22.3 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Felix Heidenreich / Didier Mineur / Daniel Schulz (Hrsg.): Die Bürger und ihr Staat/Les citoyens et leur État Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39668-die-buerger-und-ihr-staatles-citoyens-et-leur-tat_47177, veröffentlicht am 12.05.2016. Buch-Nr.: 47177 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken