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Hans-Martin Schönherr-Mann

Gewalt, Macht, individueller Widerstand. Staatsverständnisse im Existentialismus

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Staatsverständnisse 77); 300 S.; brosch., 49,- €; ISBN 978-3-8487-1900-6
Der Existentialismus hat in der Staatstheorie bislang eine weitgehend marginalisierte Rolle gespielt. Das ist nicht verwunderlich, geht er doch von einem Primat des Individuums gegenüber dem Staat aus. Dass insbesondere der emanzipatorische Existentialismus, der vor allem mit den Namen Camus, Sartre, Merleau‑Ponty und de Beauvoir verbunden ist, dem Staat dabei „nicht nur eine abgrenzende Rolle“ zugesteht, sondern vielmehr „ein zivilgesellschaftliches Staatsverständnis, wie es sich gegen Ende des letzten Jahrhunderts in der westlichen Welt entwickelt“ (14) hat, antizipiert, macht der Autor in seinem sehr lesenswerten Buch deutlich, das entgegen der meisten Bände der Reihe „Staatsverständnisse“ nicht als Sammelband, sondern als Monografie organisiert ist. Hans‑Martin Schönherr‑Mann liefert zum einen eine hervorragende Einführung in das existentialistische Denken, wobei er in fünf Hauptteilen zunächst die „Wegbereiter“ (de Sade, Kierkegaard, Stirner) und „Vorläufer“ (Nietzsche, Michelstaedter, Bergson) des Existentialismus diskutiert, bevor er sich ausführlich mit dem „metaphysischen Existentialismus“ (Marcel, Jaspers, Cioran), seinen „Randgängen“ (Heidegger, Arendt, Bataille) und schließlich mit dem schon erwähnten „emanzipatorischen Existentialismus“ beschäftigt. Zum anderen zeigt der Autor, dass es gerade der individualistische Ausgangspunkt ist, der den Existentialismus für gegenwärtige Debatten über den Staat spannend und hochaktuell macht. Der (historisch bedingte) Fokus des Existentialismus auf die Widerständigkeit des Individuums gegenüber der staatlichen Vormundschaft reiht sich nahtlos in gegenwärtige Debatten über (Post‑)Demokratie und neue, außerparlamentarische Partizipationsformen ein. Der Vielfältigkeit der existentialistischen Positionen geschuldet, lässt sich dabei keine einheitliche Theorie ableiten, wohl aber finden sich zahlreiche Anknüpfungspunkte und erfrischende neue Perspektiven im Nachdenken über den Staat der Gegenwart.
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Rubrizierung: 5.15.425.46 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Hans-Martin Schönherr-Mann: Gewalt, Macht, individueller Widerstand. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39655-gewalt-macht-individueller-widerstand_48077, veröffentlicht am 04.05.2016. Buch-Nr.: 48077 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken