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Julia Gerlach

Der verpasste Frühling. Woran die Arabellion gescheitert ist

Berlin: Ch. Links Verlag 2016; 248 S.; brosch., 18,- €; ISBN 978-3-86153-868-4
Fünf Jahre nach dem Aufbruch in die Demokratie lässt sich feststellen, dass die meisten Staaten des Arabischen Frühlings wieder in die traditionellen Muster der Vorgängerdiktaturen zurückgekehrt sind beziehungsweise in einem völligen Chaos des Bürgerkrieges versinken. Vor diesem Hintergrund befasst sich Julia Gerlach mit der Frage „Woran die Arabellion gescheitert ist“ (Untertitel). Der Schwerpunkt ihrer Analyse liegt auf Ägypten, dem sie 195 von 244 Seiten widmet, während die anderen Länder lediglich auf 49 Seiten behandelt werden. Dies ist der Hauptkritikpunkt an dem Buch, das ansonsten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis dieses Phänomens leistet. In Tunesien zählten demnach vor allem der vergleichsweise hohe Bildungsstandard der Bürger, eine bürgerliche Mitte sowie die gemäßigte islamistische Partei zu den Faktoren, die den Erfolg des Arabischen Frühlings begünstigten. Zu Beginn der Proteste waren die Menschen in Libyen ebenfalls noch überzeugt, sich auf einem positiven Weg zu befinden. Doch Tribalismus und alte Machteliten sowie radikale Islamisten haben eine gesamtstaatliche Einigung unmöglich gemacht, sodass das Land immer mehr in den Bürgerkrieg abgedriftet ist. Die gleichen Faktoren, vor allem Tribalismus und regionale Gegensätze, führten auch im Jemen und in Syrien zum Scheitern der Revolution. Erschwerend kamen in Syrien noch die konfessionellen Gegensätze und ein sehr starkes Regime hinzu, im Fall der Republik Jemen der Kalte Krieg zwischen Iran und Saudi Arabien sowie die saudi‑arabische Intervention. In Ägypten lag das Scheitern vor allem am Unvermögen der islamistischen Regierung unter Mursi, die Nöte der Bevölkerung zu adressieren, und am Umstand, dass ihr die alten militärischen Machtkader auch wenig Zeit dazu ließen. Den Hauptgrund sieht Gerlach darin, dass es den alten Eliten gelang, die Protestbewegung zu spalten und sich so wieder in Führungspositionen zu bringen. Eine Rolle spielten dabei unter anderem auch jahrhundertealte Traditionen der Suche nach einem starken Führer. Über die Beispiele hinaus wäre noch ein Vergleich mit der iranischen Revolution von 1979 interessant gewesen.
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Rubrizierung: 2.632.22.222.254.22 Empfohlene Zitierweise: Michael Rohschürmann, Rezension zu: Julia Gerlach: Der verpasste Frühling. Berlin: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39592-der-verpasste-fruehling_48184, veröffentlicht am 07.04.2016. Buch-Nr.: 48184 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken