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Frank Adloff / Volker M. Heins (Hrsg.)

Konvivialismus. Eine Debatte

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (X-Texte); 261 S.; 19,99 €; ISBN 978-3-8376-3184-5
„Wir können uns mit dem Konvivialismus als sozialwissenschaftlicher oder politischer Idee einerseits und mit der Konvivialität als gelebter Praxis andererseits befassen“ (10), schreiben die Herausgeber des Debattenbandes über den vielschichtigen Zugang zum Thema. Entsprechend wird in jedem Essay aus einer spezifischen Perspektive auf „Das konvivialistische Manifest“ (www.diekonvivialisten.de) Bezug genommen. Historisch zunächst als Prozess der Vergemeinschaftung bei Tischgesellschaften entstanden, wurde Konvivialismus in den 1970er‑Jahren als sozialanthropologische oder sozialkritische Kategorie, beispielsweise bezüglich des (britischen) Multikulturalismus, verwendet. Erst neuerdings erhält der Begriff Dimensionen moralischer und wissenschaftlich‑theoretischer Natur. So verortet Rupert Graf Strachwitz den Konvivialismus in der „Arena“ (61) der Zivilgesellschaft, er beinhalte Empathie, Teilhabe, kollektive Sicherheit und Versorgung sowie Respekt als gelebte Praxis. Dabei greift der Autor einen zentralen Punkt der Herausgeber auf: Im Gegensatz zum Kommunitarismus der 1990er‑Jahre fragt Konvivialismus, wie „unterschiedliche Gemeinschaften wechselseitig zueinander stehen können und sollen“ (12). Erst jetzt tritt die daraus resultierende Kunst des Zusammenlebens mit bestehenden politischen Ideologien in Konkurrenz. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Idee des Commonings (siehe Buch‑Nr. 47958) vertreten ist. Die Autoren um Silke Helfrich betonen, dass Commoning durch eine qualitativ andere Weise der Herstellung von Lebensbedingungen immer „konviviale Praxis“ (145) ist. Die Herausgeber sehen insgesamt (a) das Praktischwerden der Wissenschaft (Beitrag von Henning Hahn), (b) die Bedingungen und Möglichkeiten von Konvivialismus und (c) das Verhältnis von Empirie und Normativität (verschiedene Beiträge) berührt. Steffen Mau benennt bezüglich des zweiten Punkts aufgrund der rapide steigenden Ungleichheit von Vermögen und einer Ökonomisierung der Gesellschaft besonders die Mittelschichten als zentrale Akteure. Nachbarschaften, freiwillige Assoziationen, Kritik an der bestehenden Vermögensverteilung, informelle Gemeinschaftsbindungen oder (ganz aktuell) der Umgang mit Diversität definierten eine neue Qualität des Zusammenlebens, in dem der Ethos der Kooperation herrsche. Weniger beleuchtet wird die Frage, wie die vielen verschiedenen Protestbewegungen und sozialen Trends systematisiert werden können und als „alternative Metametapher“ (13) Geltung im Sinne struktureller Veränderungen erlangen können, anstatt nur ein moralischer Appell zu sein.
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Rubrizierung: 2.22.222.232.655.42 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Frank Adloff / Volker M. Heins (Hrsg.): Konvivialismus. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39585-konvivialismus_47957, veröffentlicht am 07.04.2016. Buch-Nr.: 47957 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken