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Evelyn Moser

Postsowjetische Transformationen in der Weltgesellschaft. Politische Dezentralisierung und wirtschaftliche Differenzierung im ländlichen Russland

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (Global Studies & Theory of Society 2); 389 S.; 39,99 €; ISBN 978-3-8376-3101-2
Diss. Luzern; Begutachtung: R. Stichweh, R. Hasse. – Evelyn Moser untersucht, wie die Gleichzeitigkeit von politischer Dezentralisierung und wirtschaftlicher Privatisierung soziale Ordnungen und Strukturen in ländlichen Gemeinden des postsowjetischen Russlands beeinflusst. Gemäß ihrer systemtheoretischen Grundannahme kann die lokale Abkopplung sowjetischer Funktionssysteme nach der Transformation nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr sei die „Herausbildung einer spezifischen regionalen Ordnung in der modernen Weltgesellschaft“ (28) zu beobachten. Das ‚Dorf‘ als Verwaltungseinheit erscheint von besonderem Interesse, da die ehemaligen Kolchosen in Form landwirtschaftlicher Großbetriebe weiterhin eine zentrale Rolle spielen: als Arbeitgeber und Förderer dörflicher Infrastrukturen, aber auch, weil deren Betriebsleitungen vormals als zentrale „Machtinstanz[en] in den Dörfern“ (102) auftraten. Gleichzeitig wird aber deren zentrale Rolle durch die Folgen postsowjetischer Transformation, vor allem der wirtschaftlichen Dezentralisierung und der wachsenden kommunalen Selbstverwaltung, infrage gestellt. Vier ethnografische Fallstudien, etwa zum Anschluss an das Gasnetz oder zu dem Kaufangebot einer Agrarholding, dienen Moser zur Veranschaulichung des „Irritationspotenzials“ (162), das aus diesen Prozessen erwächst. Sie gelangt zu zwei zentralen Ergebnissen: Es lässt sich eine Ausdifferenzierung des Funktionssystems Politik in ländlichen Gemeinden erkennen und die Transformationsprozesse finden zunehmend im „Schatten der Weltgesellschaft“ (303) statt. So führt etwa die Etablierung der Bürgermeister als zentrale Akteure der Koordination und Kommunikation lokaler Politik zu einer Infragestellung der ehemals dominierenden Rolle der Kolchosvorsitzenden. Die geschlossene soziale Ordnung des Dorfes bricht auf und gleicht sich, etwa bei der Definition von Eigentumsverhältnissen, partiell einem weltgesellschaftlichen Strukturmuster an. Die Fallstudien unterstreichen damit auch den analytischen Mehrwert, systemtheoretische Ansätze mit ethnografischen Methoden zu kombinieren. So verdeutlicht die Untersuchung, dass sich die Aushandlung des Verhältnisses lokaler und globaler Strukturmerkmale auch auf der Mikroebene der Transformation ländlicher Kommunen in Russland nachweisen lässt.
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Rubrizierung: 2.622.212.222.25 Empfohlene Zitierweise: Holger Niemann, Rezension zu: Evelyn Moser: Postsowjetische Transformationen in der Weltgesellschaft. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39453-postsowjetische-transformationen-in-der-weltgesellschaft_47885, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 47885 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken