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Daniela Mehler

Serbische Vergangenheitsaufarbeitung. Normwandel und Deutungskämpfe im Umgang mit Kriegsverbrechen, 1991-2012

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (GlobalStudies); 368 S.; 39,99 €; ISBN 978-3-8376-2850-0
Diss. Jena; Begutachtung: O. Leiße, T. Bonacker. – Welche Probleme lassen sich bei einer „extern induzierten Vergangenheitsaufarbeitung“ von Kriegsverbrechen erkennen? Und was sagt dies über den Erfolg von Prozessen internationaler Normdiffusion aus? Daniela Mehler untersucht dies anhand einer Analyse serbischer Diskurse zu den Kriegsverbrechen in den 1990er‑Jahren. Dabei bezeichnet sie Serbien als „Laboratorium für die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen“ (12), das in besonderem Maße von einer extern induzierten Vergangenheitsaufarbeitung betroffen gewesen sei, etwa durch das internationale Straftribunal oder die Konditionalitätspolitik der EU. Den Ausgangspunkt der Studie bildet eine Kritik am häufig teleologischen Verständnis solcher Prozesse in der Literatur zur Normdiffusion. Mehler betont dagegen, dass eine Normdiffusion kein Automatismus sei. Vielmehr belege der serbische Diskurs eine komplexe und ambivalente Rezeption internationaler Normen. Ihre Untersuchung basiert auf zwei analytischen Schritten: zum einen auf einer Rekonstruktion der serbischen Vergangenheitsaufarbeitung, ihrer institutionellen Ausgestaltung und der damit verbundenen Diskurse; zum anderen auf einer Analyse der Narrative des Massakers von Srebrenica und seiner Aufarbeitung in Serbien. Insbesondere die lexikometrische Auswertung serbischer Zeitungsartikel hierzu verdeutlicht eine Verschiebung des serbischen Diskurses zwischen 2005 und 2010. Das Gesamtergebnis der Untersuchung zeigt jedoch, dass in Serbien die Vergangenheitsaufarbeitung als Norm ambivalent aufgegriffen wurde. Zwar lässt sich keine eindeutige Normablehnung belegen, aber der serbische Diskurs ist in hohem Maße polarisiert und durch die Marginalisierung bestimmter diskursiver Positionen im Umgang mit den Kriegsverbrechen geprägt. Mehler kommt daher zu dem Schluss, dass die formale Übernahme internationaler Normen nicht zwangsläufig mit innerstaatlichem sozialem Wandel einhergeht.
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Rubrizierung: 2.612.23 Empfohlene Zitierweise: Holger Niemann, Rezension zu: Daniela Mehler: Serbische Vergangenheitsaufarbeitung. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39416-serbische-vergangenheitsaufarbeitung_47918, veröffentlicht am 18.02.2016. Buch-Nr.: 47918 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken