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Ines Weber

Sozialismus in der DDR. Alternative Gesellschaftskonzepte von Robert Havemann und Rudolf Bahro

Berlin: Ch. Links Verlag 2015; 344 S.; 35,- €; ISBN 978-3-86153-861-5
Politikwiss. Diss. Kiel; Begutachtung: T. Stein, H. Buchstein. – Sozialismus und Freiheit gehören zusammen. Mit dieser Ansicht wäre man in der DDR unweigerlich in Widerspruch zum herrschenden System geraten, das den Bürgern wesentliche Grundfreiheiten verwehrte. Ines Weber fragt daher, „welche alternativen Gesellschaftskonzepte von politischen DenkerInnen entwickelt wurden, die die sozialistische Idee mit freiheitlichen Vorstellungen zu versöhnen suchten“ (10). Sie analysiert dafür Werk und Biografie der Theoretiker und „freiheitlich orientierte[n] Sozialisten“ (11) Robert Havemann und Rudolf Bahro. Beide, erst Unterstützer des SED‑Systems, fielen später durch Veröffentlichungen ihrer kritischen Thesen in Ungnade und wurden verfolgt. Weber beschreibt zunächst das sozialistische Freiheitsverständnis von Marx und Engels, das auf einen geänderten, von egoistischen Ansprüchen befreiten Menschen setzt. Durch Änderung mittels erzieherischer Institutionen drohe aus Sicht von Kritikern aber „Zwang und Repression“ (72). „In seiner revolutionären Ungeduld“ (94) habe Lenin dann eine hierarchisch führende Minderheit befürwortet, die Freiheitsrechte der Mehrheit einschränken durfte. Die DDR habe sich schließlich praktisch vom „Wunsch [verabschiedet], die Gesellschaft kontinuierlich zu verändern“ (148). Havemann dagegen habe sozialistisches Denken als wissenschaftliche Theorie begriffen, die nicht „mit einem unanfechtbaren Wahrheitsanspruch auftreten soll und darf“ (174), sondern stetig geprüft und weiterentwickelt werden müsse. Eine „biologisch determinierte Natur des Menschen“ (181) habe er abgelehnt. Bahro habe sich sogar ganz vom Sozialismus abgewandt – nicht zuletzt, weil er in ihm eine Gefahr für Frieden und Umwelt gesehen habe. So folge für ihn die sozialistische Industrialisierung genau wie die kapitalistische „einer inneren, die Menschheit als Ganzes vernichtenden Logik“ (292). Die Autorin resümiert kritisch, dass beide Theoretiker zwar „das Ziel der menschlichen Emanzipation“ in ihren Werken verfolgen und die Frage der Umsetzung breit diskutieren. Bei Havemann sei aber ein „institutionentheoretisches und ‑praktisches Defizit“ (314) festzustellen. Sein starkes Freiheitsplädoyer erkennt Weber an, er gründe es aber darauf, dass die Menschen schon das für einen sozialistischen Wandel nötige Bewusstsein haben und keiner Erziehung bedürfen. Bahro präsentiere „letztlich alten Wein in neuen Schläuchen“ (314), stehe freiheitsbeschneidenden Maßnahmen unkritisch gegenüber und habe sich deutlich selbst überschätzt.
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Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Ines Weber: Sozialismus in der DDR. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39411-sozialismus-in-der-ddr_47793, veröffentlicht am 18.02.2016. Buch-Nr.: 47793 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken