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Sebastian Chwala

Der Front National. Geschichte, Programm, Politik und Wähler

Köln: PapyRossa Verlag 2015 (Neue Kleine Bibliothek 219); 143 S.; 12,90 €; ISBN 978-3-89438-592-7
Der Front National (FN) ist seit den 1980er‑Jahren eine feste Größe im Parteiensystem der V. Französischen Republik. Zunehmende, teils spektakuläre Erfolge bei den vergangenen Wahlen belegen, dass die Partei nicht eines Tages in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, sondern weiterhin eine wesentliche Rolle im politischen Prozess spielen wird. Sebastian Chwala stellt das vorherrschende Bild der Partei infrage, das seiner Meinung nach nicht der Realität entspricht. Dies gilt insbesondere für die Tatsache, dass viele Arbeiter nunmehr den Front National wählen: „Es gehört nämlich auch zur Wahrheit, darauf hinzuweisen, dass ein Großteil der empirischen Forschungsarbeiten, auf denen die ständig wiederholte These vom Rechtsruck der Arbeiterklasse beruht, ihre Existenz der Arbeit antikommunistischer, neokonservativer Milieus innerhalb der nordamerikanischen Sozialwissenschaft verdankt, die in der Folge nach Europa durchsickerten“ (10). Die Basis der Partei bilden vielmehr die aufstiegsorientierten, ökonomisch abgesicherten Mittelschichten. Das Buch nähert sich dem Phänomen Front National in drei Schritten. Zunächst beschreibt der Autor die Wurzeln des Rechtsextremismus in Frankreich. Daran schließt sich ein Kapitel zur Geschichte der Partei und ihrer zentralen Akteure an. Abschließend folgt eine Analyse der Wählerschaft und Ideologie. Deutlich wird, dass sich im Aufstieg und in der Verwurzelung des FN die vielfältigen Probleme des Landes widerspiegeln. Die Angst der Mittelschichten vor dem Abstieg und eine grundsätzliche Entsolidarisierung der Gesellschaft lassen sich hier beobachten. Das grundlegende Problem des Buches ist das starre Denken in Kategorien, die Aufteilung in Rechts‑Links‑Schemata und die damit verbundenen Erklärungsmuster. Natürlich sind es der böse Neoliberalismus beziehungsweise Kapitalismus, verbündet mit dem (Klein‑)Bürgertum, die wieder einmal verantwortlich sind. Grundlegende empirische Daten fehlen in der Arbeit, zum Beweis wird aus (zustimmenden) ausgewählten Sekundärarbeiten zitiert. Beobachtungen, die der gewählten Modellierung widersprechen, führen nicht zur Infragestellung des Analysemodells: Die (große) Zahl der Arbeiter, die statt linker Parteien nun den FN wählen, wird dann mit deren schon immer konservativen politischen Einstellungen begründet. Die Mittelschichten dagegen weisen „oftmals schon rechte Grundeinstellungen“ (134) auf, logische Folge sei: die Wahl des FN. Die Analyse der Wählerschaft und grundlegenden Probleme des Landes bleibt insgesamt unterkomplex und überzeugt ebenso wenig wie die vom Autor vorgeschlagene Lösungsstrategie: „Aufgabe muss es also sein, der Arbeiterklasse, in welcher Form sie heute auch immer existieren mag, wieder ein Klassenbewusstsein zu vermitteln. Nur so wird es der Volksklasse möglich, um ihre Emanzipation zu kämpfen“ (136). Wenn doch die Welt so einfach wäre.
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Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Sebastian Chwala: Der Front National. Köln: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39380-der-front-national_47715, veröffentlicht am 11.02.2016. Buch-Nr.: 47715 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken