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Peter Schmitt-Egner

Gemeinwohl. Konzeptionelle Grundlinien zur Legitimität und Zielsetzung von Politik im 21. Jahrhundert

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Forschungsstand Politikwissenschaft); 285 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8487-1488-9
Das Begriffspaar Eigen‑ und Gemeinwohl konstituiert das Spannungsfeld, an dem sich der Autor dieser Studie abarbeitet. Das Ziel der Überlegungen von Peter Schmitt‑Egner besteht darin, „theoretische, methodische‑empirische und praktisch‑politische Grundlinien eines Gemeinwohlkonzeptes im Kontext der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu entwickeln“ (7), die dann als Orientierungsrahmen politisch‑gesellschaftlichen Handelns dienen können. Nach einer ausholenden, weit über das Rousseau‘sche Begriffspaar von volonté particulière und volonté générale hinausreichenden theoriegeschichtlichen Rekonstruktion steht Schmitt‑Egner vor dem Problem der Quadratur des Kreises. Das Spektrum möglicher Gemeinwohlvorstellungen reiche nämlich von einer Leerformel bis hin zum „ideologischen Objekt einer Deutungsdominanz zur Legitimierung politischer Macht und Herrschaft“ – und für beide Fälle gelte: ein Gemeinwohldiskurs sei schlechterdings „überflüssig“ (69). Behoben werden könne diese unbefriedigende Situation, wenn – unter Anerkennung der notwendigen Pluralität der Gegenwartsgesellschaften – Gemeinwohl „als allgemeines Beziehungskonstrukt von Idee, Handlung und Wirkung“ (72) analysiert werde. Dieser methodische Ausgangspunkt erlaubt es ihm nicht nur, konkrete politische Handlungsfelder mit Gemeinwohlbezug – wie etwa die Bildungs‑, Erziehungs‑ und Familienpolitik – zu identifizieren, sondern auch die grundsätzlichen Bedingungen an eine sich als gemeinwohlfördernd verstehende Politik zu formulieren. „Bedingungslos GW‑fähig [sic!] ist nur ein politisches System, wenn es seine Input‑Legitimität durch die Einbeziehung aller Mitglieder unabhängig von ihrer Herkunft und die Wirkung ihrer Output‑Legitimität durch ihre GW‑orientierung [sic!] belegen kann.“ (124) Im dritten Teil seiner Studie unternimmt Schmitt‑Egner den Versuch, am konkreten Beispiel der europäischen Klimapolitik – einem „der zentralsten Probleme des 21. Jahrhunderts“ (186) – zu zeigen, inwieweit die vorherigen theoretischen und methodologischen Überlegungen tatsächlich an die politische Praxis rückgekoppelt werden können. Der schillernde Begriff des Gemeinwohls, so sein Fazit, diene nicht nur seit der Antike als „Legitimierung der Legitimität von Politik“ (265). Gerade angesichts der existenziellen Konflikte und Herausforderungen einer globalisierten Welt im 21. Jahrhundert müsse Gemeinwohl gegen Eigennutz, wie er in Form von Korruption, gesellschaftsschädlichem Lobbyismus und rechtskonformer, aber bloß vermeintlicher Gemeinwohlförderung auftrete, aktiv verteidigt werden – quasi als eine wehrhafte Gemeinwohlpolitik.
{LEM}
Rubrizierung: 2.235.412.613.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Peter Schmitt-Egner: Gemeinwohl. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39319-gemeinwohl_47799, veröffentlicht am 28.01.2016. Buch-Nr.: 47799 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken