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Hans-Dietrich Genscher

Meine Sicht der Dinge. Im Gespräch mit Hans-Dieter Heumann

Berlin: Propyläen Verlag 2015; 189 S.; geb., 22,- €; ISBN 978-3-549-07464-0
Der ehemalige Außenminister Hans‑Dietrich Genscher zieht die Bilanz seines Leben als Staatsmann und erörtert die großen weltpolitischen Fragen, die Deutschland heute betreffen und es seiner Meinung nach in der Vergangenheit taten. Das Buch beruht auf Gesprächen des 1927 in Sachsen‑Anhalt geborenen FDP‑Politikers, die er mit seinem Biografen Hans‑Dieter Heumann führte. Als Genscher 1945 als Jugendlicher aus dem Krieg nach Halle an der Saale in die sowjetische Besatzungszone zurückkehrte, hoffte er auf einen demokratischen Neuanfang. Doch bald schon sei die Besatzungspolitik rigider geworden. Ein Freund habe diese treffend kommentiert: „Die Freiheit stirbt scheibchenweise“ (9). Angesichts weltweiter Spannungen und dem Ukraine‑Konflikt fragt Genscher heute rhetorisch, ob die Freiheit auch in Europa nun scheibchenweise sterbe. Er sieht in der Militarisierung der Sprache ein erstes Zeichen für solch eine Entwicklung, die für ihn nur auf absehbare Zeit beherrschbar erscheint. Die Schuld für die Bedrohung des europäischen Friedens weist Genscher keiner Seite allein zu: Die Krim‑Annektierung sei ein „schwerer Fehler Moskaus“ (29). Europa habe aber diplomatisch ungeschickt agiert. „Russland war eine Weltmacht, ist es und wird es bleiben.“ (35) Ein würdiger und ebenbürtiger Umgang miteinander sei zwischen Staaten ebenso wichtig wie zwischen Menschen. Die USA kritisiert er – auch im Kontext der NSA‑Affäre – dafür, dass sie noch nicht erkannt habe, dass sich heute alles hin zu „einer kooperativen Weltordnung“ (42) entwickle und die „überhebliche Vorstellung“ (42) einer von den USA dominierten unipolaren Weltordnung nicht mehr zeitgemäß sei. Als Heumann ihn fragt, ob es nicht schmerze, dass seine FDP inzwischen in der „Rolle einer Regionalpartei“ (157) sei, bejaht der ehemalige Bundesvorsitzende der Partei dies. Christian Linder traut er aber zu, diese „schwerste Krise“ (157) in der Parteigeschichte zu meistern. In knappen Sätzen rät er seiner Partei dazu, mit dem Begriff Freiheit neben den Grundrechten auch Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit als notwendige Voraussetzungen für Menschenwürde zu verbinden. Weitergehend äußert Genscher sich nicht zur aktuellen Lage und Entwicklung der FDP. Auf den nächsten Seiten geht es dann schon wieder ausführlich um die deutsche Vergangenheit und die darin tragende Rolle der FDP, die für ihn „die einzige Partei ist, die alle grundlegenden außenpolitischen Entscheidungen Deutschlands möglich gemacht hat“ (168).
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Rubrizierung: 2.32.3142.682.632.624.213.62.3132.3312.244.41 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Hans-Dietrich Genscher: Meine Sicht der Dinge. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39259-meine-sicht-der-dinge_47693, veröffentlicht am 14.01.2016. Buch-Nr.: 47693 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken