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Jana Sinram

Pressefreiheit oder Fremdenfeindlichkeit? Der Streit um die Mohammed-Karikaturen und die dänische Einwanderungspolitik

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 380 S.; 45,- €; ISBN 978-3-593-50309-7
Politikwiss. Diss. Münster; Begutachtung: D. Thränhardt, S. Kramarz‑Bein. – Zwölf Mohammed‑Karikaturen erschienen im September 2005 in der dänischen Zeitung Jyllands‑Posten. Im Anschluss daran kam es vier Monate lang bei Protesten gegen die Zeichnungen zu Toten und Verletzten, gegen dänische Produkte wurde zum Boykott aufgerufen. Jyllands‑Posten habe mit der Veröffentlichung der Karikaturen „einen globalen Wertekonflikt nie da gewesenen Ausmaßes provoziert“ (10), schreibt Jana Sinram. Sie lässt so schon in ihrer Einleitung ihre persönliche Sichtweise auf die Auseinandersetzung erkennen. Die Konfliktkonstellation habe damals eindeutig geschienen: Säkularismus und demokratische Werte auf der einen und religiöse Gefühle und Intoleranz auf der anderen Seite. Doch Sinram beschreibt die Hintergründe des Karikaturenstreits als deutlich komplexer und bisher unterbeleuchtet, mit ihrer Dissertation will sie zu einer profunderen wissenschaftlichen Aufarbeitung beitragen. Ihre Ausgangsthese ist, dass der Konflikt nur im Kontext der dänischen Einwanderungspolitik und der damit verbundenen Debatte zu verstehen sei. So habe Dänemark lange eine „außergewöhnlich homogene Gesellschaftsstruktur“ (14) aufzuweisen gehabt, heute sei es „faktisch ein Einwanderungsland“ (160). Die bis in die 1990er‑Jahre relativ liberale Migrationspolitik sei von der Politik deutlich verschärft worden, nicht zuletzt aus populistischen Gründen. Sinram spricht in diesem Zusammenhang von einer latenten Angst vieler Dänen, die damals ihre homogene Einwohnerstruktur und ihr Selbstbild durch „andersartige Einwanderer“ (161) bedroht gesehen hätten. Sie ordnet diese Debatte über Einwanderung als zunehmend kulturalisiert und ethnozentrisch ein. Minderheiten, speziell den muslimischen, würden rückständige Charakteristika unterstellt, die mit der modernen liberalen dänischen Gesellschaft nicht vereinbar seien. Die Autorin analysiert vor diesem Hintergrund, wie sich der Karikaturenstreit entwickelte, internationalisierte und schließlich eskalierte. Die dänischen Medien hätten in der Debatte wieder nur die Muslime präsentiert, „die das Klischee von fanatischen, intoleranten und frauenverachtenden Moslems erfüllten“ (342). Die Karikaturen selbst werden im Buch nicht abgebildet. Sinram kritisiert sie resümierend als „[s]innlose Provokationen“, die einem multiethnischen Zusammenleben nicht förderlich seien. Sie betont aber zugleich, dass Werte wie Meinungs‑ und Pressefreiheit nicht aufgegeben werden dürften. Es gelte „stets kritisch zu prüfen, wo die Grenze zwischen angebrachter Kritik an Fundamentalismus und unnötigen Brüskierungen“ (347) verlaufe.
{WDE}
Rubrizierung: 2.612.2634.422.23 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Jana Sinram: Pressefreiheit oder Fremdenfeindlichkeit? Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39170-pressefreiheit-oder-fremdenfeindlichkeit_47077, veröffentlicht am 10.12.2015. Buch-Nr.: 47077 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken