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Helmut Strizek

Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda in Arusha/Tansania. Eine politisch-historische Bilanz

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2015 (Berliner Studien zur Politik in Afrika 19); 606 S.; geb., 79,95 €; ISBN 978-3-631-66208-3
Das 1994 in Arusha eingesetzte Ruanda‑Tribunal ist neben dem ebenfalls vom UN‑Sicherheitsrat kurz zuvor geschaffenen Strafgerichtshof für die Verbrechen im früheren Jugoslawien noch vor der Einsetzung des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs geschaffen worden und damit ein Meilenstein des neuen Völkerstrafrechts gewesen. Während seiner rund zwanzigjährigen Tätigkeit wurde es jedoch auch immer scharf kritisiert: zu teuer, ineffektiv – vor allem aber zu einseitig, da es sich entgegen des Auftrags des Sicherheitsrats allein auf die Strafverfolgung des Völkermords an den Tutsi konzentrierte und die noch 1994 verübten Racheverbrechen der nunmehr unter Rebellenführer Paul Kagame selbst an die Macht gelangten Tutsi an den Hutu ausklammerte. Diesen Vorwurf einer politischen Justiz formuliert in noch schärferer Weise auch Helmut Strizek, Politikwissenschaftler, früherer Ministerialbeamter und ausgewiesener Kenner der Region. Er beschäftigt sich nicht nur mit der Tätigkeit des Gerichtshofs im engeren Sinne, sondern bietet vorgeschaltet eine kurze historische Einführung zu Ruanda sowie der Entwicklung des Völkerstrafrechts. Angefügt ist ein akribisch zusammengetragener Dokumentationsteil, darunter vor allem die umfangreiche (ca. 150 Seiten) Kurzkommentierung zu allen Verfahren des Gerichts. Die zentrale These Strizeks lautet: „Das Arusha‑Gericht war vornehmlich ein Instrument zur Stabilisierung einer Diktatur, die nach dem Ende des Tutsi‑Völkermords im Juli 1994 von der westlichen Welt etabliert wurde und bis heute an der Macht gehalten wird. [...] Der großen Idee einer internationalen Gerichtsbarkeit [...] haben Form und Umstände des Arusha‑Gerichts geschadet.“ (34) Das Buch ist eines der wenigen, die zu einem Thema der juristischen Domäne Völkerstrafrecht beziehungsweise ‑gerichtsbarkeit überhaupt einmal aus politikwissenschaftlicher Feder vorgelegt werden und politische Hintergründe einbeziehen. Gleichwohl hätte man sich gerade deshalb eine stärkere theoretische Anbindung an die Problematik der „Politischen Justiz“ (zum Beispiel im Anschluss an Otto Kirchheimer) gewünscht.
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Rubrizierung: 4.34.12.67 Empfohlene Zitierweise: Robert Chr. van Ooyen, Rezension zu: Helmut Strizek: Der Internationale Strafgerichtshof für Ruanda in Arusha/Tansania. Frankfurt a. M. u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39160-der-internationale-strafgerichtshof-fuer-ruanda-in-arushatansania_47658, veröffentlicht am 03.12.2015. Buch-Nr.: 47658 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken