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Robert Neumann

Libertärer Paternalismus. Theorie und Empirie staatlicher Entscheidungsarchitektur

Tübingen: Mohr Siebeck 2013 (Untersuchungen zur Ordnungstheorie und Ordnungspolitik 66); IX, 312 S.; brosch., 59,- €; ISBN 978-3-16-152830-9
Soziolog. Diss. TU Dresden; Begutachtung: E. Zimmermann, P. Graeff. – Im Zuge der Diskussion über das Buch „Nudge – Improving Decisions about Health, Wealth and Happiness“ von Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein erlangten nicht nur in den USA Politikkonzepte an Relevanz, die die kluge Verbindung der politischen Steuerung individuellen Verhaltens mit individuellen Freiheitserfordernissen anstreben. Es geht um die Verhaltenslenkung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung von Wahlfreiheit. Thaler und Sunstein sprechen in diesem Zusammenhang selbst von einem Libertären Paternalismus. Dieses Konzept analysiert und hinterfragt Robert Neumann und wendet es auf ein empirisches Beispiel an: die deutsche Familienpolitik. Dementsprechend ist das Buch in einen längeren theoretischen und einen kürzeren empirischen Abschnitt unterteilt. Im theoretischen Teil arbeitet Neumann Verkürzungen des bisherigen Konzepts des Libertären Paternalismus heraus, insbesondere in Bezug auf die unzureichende Berücksichtigung der Kontingenz von Präferenzen. Neumann kommt zu dem Schluss, „dass die Rechtfertigung des Libertären Paternalismus auf methodisch eher wackeligem Fundament steht“ (100). Der Autor versucht diese Schwächen theoretisch zu beheben, wozu er insbesondere die Ansätze der Neuen Institutionen‑ und der Konstitutionenökonomik heranzieht. So entsteht ein umfassenderes Konzept der „präferenzbasierten Entscheidungsarchitektur“, das mittels verschiedener Hypothesen auf die Familienpolitik angewendet wird. Thematisiert werden dabei die Erklärungszusammenhänge von Präferenzen für direkte (zum Beispiel das Betreuungs‑ und Kindergeld) sowie indirekte Maßnahmen (zum Beispiel Kinderbetreuungsmaßnahmen) der Familienförderung. Dabei konstatiert der Autor, dass in den neuen Bundesländern weiterhin ein „‚Schatten des Kommunismus‘“ (246) im Sinne höherer Umverteilungspräferenzen auszumachen sei. Die Präferenzbildung in Bezug auf die Bedeutung indirekter Transfers sei demgegenüber durch eine mangelnde Reflexion der übergreifenden Zusammenhänge – etwa mit dem Rentensystem – geprägt. Auf dieser Basis argumentiert der Autor gegen die Einführung des Betreuungsgeldes und die Kindergelderhöhung als Standardoptionen staatlichen Handelns, da dadurch nur die sowieso ausgeprägten gesellschaftlichen Versorgungserwartungen weiter verstärkt würden, aber kein positiver Effekt in Bezug auf die Geburtenrate zu erwarten sei. „Diese Form der Pfadabhängigkeit zukünftiger Entwicklungsprozesse abzuwenden, kann durch Festlegung des Anspruchs auf Kleinkindbetreuung als Standardregel zumindest als wahrscheinlicher eingeschätzt werden“ (262), so Neumann.
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Rubrizierung: 2.32.3432.212.225.41 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Robert Neumann: Libertärer Paternalismus. Tübingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39114-libertaerer-paternalismus_45117, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 45117 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken