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Thomas Meyer

Die Unbelangbaren. Wie politische Journalisten mitregieren

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2015 (edition suhrkamp 2692); 186 S.; 15,- €; ISBN 978-3-518-12692-9
„Die Medien zeigen uns die Welt – allerdings nicht wie im Spiegel, sondern unvermeidlich als von ihnen erzeugte Welt, als Ergebnis eines höchst eigensinnigen Auswahl‑ und Produktionsprozesses“ (13), lautet die These des Politikwissenschaftlers und Chefredakteurs der Zeitschrift Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte Thomas Meyer. Ausgehend von seinem stärker theoretischen Buch „Mediokratie“ aus dem Jahr 2001 (siehe Buch‑Nr. 16018) liegt der Fokus hier mehr auf den Akteuren – den (politischen) Journalisten, die per „Selbstermächtigung“ mitmischen, das heißt „mitregieren“ (8), statt ihre öffentliche Funktion durch sachliche Information und distanzierte Kommentierung zu erfüllen. Beleuchtet werden auch die objektiven Produktionsbedingungen der Medienwelt, in denen die kritische Selbstreflexion unterbunden und „Quasi‑Politik“ (114) betrieben werde. Anhand zahlreicher Beispiele der vergangenen drei Jahre versucht Meyer, zentrale Faktoren für das „journalistische Übermenschentum“ (Frank Schirrmacher) zu extrahieren. Hervorzuheben sind dabei neben der „Casa Wulff“ die Rede von Joachim Gauck auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar 2014 und, daran gekoppelt, die mit dem „German Marshall Fund“ verbundene außenpolitische Kursänderung, an der maßgeblich auch politische Journalisten einer großen deutschen Wochenzeitung mitarbeiteten. Hierbei konstatiert Meyer für die Massenmedien – in Anlehnung an Niklas Luhmann –, gleichzeitig Scheinwerfer und blinder Fleck der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung zu sein. Anhand einiger bekannter TV‑Interviews, beispielsweise von Claus Kleber (ZDF) mit Joe Kaeser (Vorstandsvorsitzender von Siemens) zur Sanktionspolitik gegenüber Russland, entwickelt Meyer seine These der „destruktive[n] Selbstüberschätzung“ (9) einiger politischer Journalisten. Die drei extrahierten Ursachenfaktoren dafür sind laut Meyer die an Aufmerksamkeitsmaximierung orientierte Medienlogik, ein strukturelles Veröffentlichungsmonopol der Schlüsseljournalisten und die zunehmende Homogenisierung infolge der Konzentration und Flexibilisierung des Medienmarktes. Meyer gelingt damit eine scharfe, aber gerechtfertigte Kritik der Akteure und Strukturen, ohne in polemische Medienschelte abzugleiten. Auch wenn seine Lösungsvorschläge noch am Anfang stehen und die theoretische Auseinandersetzung insbesondere mit Niklas Luhmann für die wissenschaftliche Diskussion ausbaufähig ist, untermauert Meyer nachvollziehbar seine These: Politische Journalisten regieren ohne jegliche demokratische Legitimierung an zentralen Schaltstellen mit. Hier bedürfe es der Korrekturen.
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Rubrizierung: 2.3335.42 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Thomas Meyer: Die Unbelangbaren. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39107-die-unbelangbaren_47562, veröffentlicht am 19.11.2015. Buch-Nr.: 47562 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken