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Fethi Meskini

Der andere Islam. Kultur, Identität und Demokratie. Hrsg. von Sarhan Dhouib und Hans Jörg Sandkühler. Aus dem Französischen übersetzt und eingeleitet von Hans Jörg Sandkühler

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2015 (Philosophie und Transkulturalität 17); 160 S.; geb., 42,95 €; ISBN 978-3-631-66136-9
Die Aufsätze in diesem Band sind zwar schon zuvor an anderen Stellen publiziert worden, in ihrer Zusammenschau aber entfalten sich die Überlegungen von Fethi Meskini als ein größeres Gedankengebäude, in dem – so das Ziel – der moderne Mensch, demokratisch und tolerant gesinnt, friedlich neben seinen Nachbarn leben kann. Meskini, Professor in Tunis mit dem Schwerpunkt Deutsche Philosophie, lotet dazu vor allem Anschauungen, in denen sich der Islam ausdrückt, im Abgleich mit der europäischen Philosophie seit der Antike aus und stellt so die muslimische Existenz als eine Variante des Menschseins heraus. Dabei sieht er die modernen Menschen des westlichen und des arabischen Kulturkreises bei der Beantwortung der Frage nach ihrer Identität vor ähnliche Probleme gestellt: „Wir sind alle Ex‑…, ich will sagen: Ex‑Monotheisten. […] der Christ nach dem [philosophisch erkannten] Tode Gottes, der Jude nach der Shoah und schließlich der Muslim nach dem 11. September“ (79). Deshalb gleiche die gegenwärtige Debatte von religiösen Denkern und Laizisten einem „Dialog von Taubstummen“ (86) – tatsächlich aber sollte es nicht um einen Ausgleich zwischen ihnen gehen, sondern um die Formulierung einer zeitgemäßen Identität, in der dieses Dasein als „Ex‑“ mitgedacht werde. Meskini lässt keinen Zweifel daran, dass dabei an der Universalität der Menschenrechte nicht zu rütteln ist. Dennoch sei es ein Fehler, von der arabischen Welt – deren Sprache einige für den Westen zentrale Begrifflichkeiten als Vokabeln nicht kenne, dafür aber andere – nur einen Nachvollzug einer bereits vorgelebten Moderne zu erwarten. Meskini veranschaulicht diesen Gedanken insbesondere an der Revolution in Tunesien, die seiner Ansicht nach ein neues Phänomen ist, weil die Menschen keinen ideologisch argumentierenden Führern gefolgt sind, sondern sie zum Beispiel mit einer Sitzblockade so einfach wie eindrücklich ihren Anspruch auf individuelle Freiheit erhoben haben. Eröffnet worden ist demnach ein neuer Aushandlungsprozess – bei der Lektüre denkt man hier sofort an das tunesische „Nationale Dialogquartett“, das den Friedensnobelpreis 2015 erhalten hat –, der eben nicht auf ein Ende der Geschichte deutet, sondern auf ihre Weiterentwicklung.
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Rubrizierung: 5.422.232.252.67 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Fethi Meskini: Der andere Islam. Frankfurt a. M. u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39096-der-andere-islam_47228, veröffentlicht am 19.11.2015. Buch-Nr.: 47228 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken