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Michael Wolffsohn

Zum Weltfrieden. Ein politischer Entwurf

München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2015; 207 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-423-26075-6
Für Michael Wolffsohn ist klar: der Zerfall von Staaten, wie er derzeit weltweit zu beobachten ist, wird auch in Zukunft fortschreiten. Deshalb widmet sich der Historiker der Suche nach Formen der staatlichen Organisation, die das Spannungsverhältnis aus kollektiver Selbstbestimmung und selbstgewählter politischer, religiöser, nationaler und anderer Abgrenzung konflikt‑ beziehungsweise gewaltfrei einzuhegen verstehen. Methodische Grundlage ist hierfür ein Ansatz, den er „salopp formuliert, historisch‑bevölkerungspolitisches (= demographisches) Röntgen“ (9) nennt. Ausgehend von der Annahme, dass Staaten nicht als unitarische Akteure, sondern vielmehr als durch demografische Dynamiken geprägte Gebilde verstanden werden müssen, sieht Wolffsohn einzig in föderativ organisierten Staaten – als Gegenteil zu den Nationalstaaten des 19. und 20. Jahrhunderts – eine friedliche und langfristig zukunftsfähige Lösung. Seine Untersuchung orientiert sich in ihrer Form an der Metapher eines medizinischen Vorgehens. Im ersten Kapitel erfolgt der Befund, um dann „Föderalismus als Schlüssel“ zur Behandlung der Ursache des Problems zu präsentieren. Föderalismus in Wolffsohns Sinne bedeutet dabei „räumlich‑territorial[e] oder [...] personal‑gruppenbezogen[e] Selbstbestimmung und Machtteilung innerhalb und gegebenenfalls zwischen Staaten“ (22). Nicht gemeint sei damit Selbstbestimmung im westlichen Sinne. Vielmehr gehöre dazu auch die Akzeptanz von mit den eigenen Vorstellungen unvereinbaren Ergebnissen. Ebenfalls sind nach Wolffsohn vor allem Mischformen von personellen wie territorialen Föderalismusmodellen zu erwarten. Besonders macht Wolffsohns Betrachtung, dass sie der Geschichte eine Hauptrolle einräumt. Den fünf kleinen und großen aktuellen Krisenregionen der Welt ist demnach gemeinsam, dass es für sie „eine Rache der Geschichte gibt, dass sich die Vergangenheit in und an der Gegenwart rächt“ (72). Gemeint ist damit, dass diese Staaten als Ergebnisse der Neuordnung nach den beiden Weltkriegen beziehungsweise der Entkolonialisierung weniger denn je in ihrer heutigen Form überleben können. Humanitäre Interventionen als Beitrag zur Lösung dieses Problems sind nach Wolffsohn „zynischer Etikettenschwindel“ (189), sofern sie aus machtpolitischen oder opportunistischen Gründen erfolgen. Sie verlören zudem ihre Sinnhaftigkeit, wenn sie nicht auf militärischen und politischen Strategien fußten. Als Lösung bleibt ihm zufolge daher nur die Föderalisierung von scheiternden Staaten, die entweder territorial oder – unabhängig von räumlicher Einteilung – auf Grundlage von Gruppenzugehörigkeit personal beziehungsweise in einer Mischform beider Lösungen ausfallen kann.
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Rubrizierung: 4.14.41 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Michael Wolffsohn: Zum Weltfrieden. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39027-zum-weltfrieden_47332, veröffentlicht am 29.10.2015. Buch-Nr.: 47332 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken