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Peter Steinbach

Nach Auschwitz. Die Konfrontation der Deutschen mit der Judenvernichtung

Bonn: Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger 2015; 107 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 978-3-8012-0462-4
Auschwitz ist zum Synonym für den industriell organisierten Massenmord an den europäischen Juden geworden. Die mit dem Ort assoziierten Grausamkeiten und Schrecken, die zumeist unter die Oberbegriffe ‚Shoah‘ oder ‚Holocaust‘ subsumiert werden, sind wesentliche Bestandteile des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Peter Steinbach, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, nimmt den 27. Januar 1945, den Tag der Befreiung des Konzentrations‑ und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee, als Ausgangspunkt für seinen Essay. Anhand unterschiedlicher Bezugspunkte des Erinnerns skizziert Steinbach die sich verändernde Wahrnehmung des „Zivilisationsbruchs Auschwitz“ (Dan Diner) in Deutschland und verknüpft so zugleich „historische Zusammenhänge mit der politischen Gegenwart“ (7). Steinbach wirft einen kursorischen Blick auf Einstellungen, Sichtweisen und die „Ambivalenz des Gedenkens“ (50). In diesem Zusammenhang orientiert er sich an erinnerungskulturellen Aushandlungsprozessen der Vergangenheit: Neben dem Gerichtsverfahren gegen Adolf Eichmann 1961, der Rede Richard von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa und dem von Ernst Nolte ausgelösten Historikerstreit 1986/87 hebt Steinbach vor allem die Bedeutung des ersten Frankfurter Auschwitzprozesses 1963‑65 hervor. Dieser, so Steinbach, habe „die deutsche Gesellschaft nachhaltig [verändert] und […] die Voraussetzung für die Wahrnehmung der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen als ‚Menschheitsverbrechen‘ (Karl Jaspers)“ (68) geschaffen. Die deutsche Gesellschaft wurde mit einer Realität der NS‑Vergangenheit konfrontiert, die das bis dato vorherrschende „Bild von der Zeitgeschichte völlig umstürzte“ (67). Interessant wäre an dieser Stelle eine weiterführende Analyse gewesen, die auch aktuelle gesellschaftspolitische Diskurse und Einstellungsmuster einbezieht. Denn wie eine Umfrage des Forsa‑Instituts bereits 2012 feststellte, wissen immerhin 21 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland mit dem Begriff Auschwitz nichts mehr anzufangen. Leider mangelt es dem Essay hier an inhaltlicher Tiefe. Zu sehr bleibt Steinbach auf die Rekonstruktion historischer Entwicklungslinien fokussiert.
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Rubrizierung: 2.352.312 Empfohlene Zitierweise: Björn Allmendinger, Rezension zu: Peter Steinbach: Nach Auschwitz. Bonn: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39000-nach-auschwitz_47135, veröffentlicht am 22.10.2015. Buch-Nr.: 47135 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken