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Angela Marciniak

Politische Sicherheit. Zur Geschichte eines umstrittenen Konzepts

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 369 S.; 36,90 €; ISBN 978-3-593-50313-4
Diss. TU Darmstadt; Begutachtung: P. Niesen, W. Hofmann. – Ausgehend von einer tiefgehenden Irritation über die sicherheitspolitischen Reaktionen auf die Anschläge des 11. September 2001 spürt Angela Marciniak in ihrer ebenso ideengeschichtlich wie politiktheoretisch akzentuierten Studie drei Fragekomplexen nach: Sind Sicherheit und Freiheit, noch dazu in den repräsentativen Demokratien der Moderne, tatsächlich einander ausschließende Konzepte? Gibt es irgendwelche stichhaltigen Gründe, die annehmen lassen, dass das Bedürfnis nach Sicherheit ein modernes, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufgekommenes Konzept ist? Und schließlich: Was überhaupt bedeutet Sicherheit als politisches Konzept? Zur Klärung dieser Fragestellungen unternimmt Marciniak einen Ausflug in die politische Ideengeschichte, um anhand einschlägiger, also im Angesicht jeweils spezifischer historischer Krisensituationen entworfener Lösungsvorschläge eine Antwort auf ihre ursprüngliche Irritation zu formulieren. Ihre Stationen sind Hobbes, Bentham und Morgenthau – und nicht Bodin, Marx oder Gandhi, die ebenfalls angesichts erlebter Krisen spezifische Arten des Umgangs mit ebendiesen entworfen haben. Diese Feststellung ist keine Kritik an Marciniaks Arbeit, zeigt aber, dass anhand der von ihr erhobenen Auswahlkriterien andere, womöglich auch gänzlich andere Erzählungen beziehungsweise Rekonstruktionen möglich gewesen wären. Folgt man indes ihrer überaus präzisen, historisch kenntnisreichen Analyse, dann steht dort das Ergebnis, dass die drei jeweils sehr unterschiedlichen Konkretisierungen politischer Sicherheit, wie sie von Hobbes, Bentham – den man im Übrigen auch stärker mit der Brille Foucaults hätte lesen können, um dessen gegenwartsdiagnostische Relevanz weiter zuzuspitzen – und Morgenthau vorgetragen werden, kaum in ein einziges Konzept politischer Sicherheit zu integrieren sind. Was Marciniak – durchaus folgerichtig – zu dem Schluss veranlasst, dass es gelten müsse, „den Bedeutungsgehalt von Sicherheit immer insofern offen zu halten, als dass er stets aufs Neue diskutiert und ausgehandelt werden kann“ (351). Im Sinne eines an Habermas angelehnten Verständnisses diskursiven Austausches über den Weg des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments, wie er in der politischen Öffentlichkeit stattfinden soll, handelt es sich um eine der Demokratie in der Tat angemessene Vorgehensweise. Es bleibt das Unbehagen, dass der öffentliche Diskurs anders als hier angenommen zu schmutzig und unsicher ist, um einfach auf bessere Argumente vertrauen zu können.
{LEM}
Rubrizierung: 5.15.415.325.334.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Angela Marciniak: Politische Sicherheit. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38973-politische-sicherheit_47075, veröffentlicht am 15.10.2015. Buch-Nr.: 47075 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken