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Wolfgang Benz

Sinti und Roma: Die unerwünschte Minderheit. Über das Vorurteil Antiziganismus

Berlin: Metropol 2014; 315 S.; softc., 19,- €; ISBN 978-3-86331-221-3
Aus der Perspektive der vergleichenden Vorurteilsforschung betrachtet Wolfgang Benz, ehemaliger langjähriger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, den Antiziganismus und die Minderheit der Sinti und Roma. Nötig sei dies nicht nur, weil die Anerkennung – und Entschädigung – vergangener Verbrechen an dieser Minderheit erst viel zu spät und noch lange nicht ausreichend erfolgt sei, sondern auch angesichts neuer Tendenzen der Ausgrenzung: „Stimuliert durch die Überfremdungsängste der EU‑Bürger erblühen alte Vorurteile zu neuem Leben, werden Feindbilder reaktiviert, mit denen die größte ethnische Minderheit Europas traditionell stigmatisiert ist.“ (9) Benz legt dar, wie viel Unwissenheit über Sinti und Roma in der deutschen Gesellschaft existiert. Dies betrifft insbesondere die Verfolgung und den Völkermord durch die Nationalsozialisten, aber auch die Differenzierung der Begriffe Roma und Sinti, die Herkunft zugewanderter Roma und die Lebensumstände. Die vom Autor zitierten Erhebungen – unter anderem aus der Studie „Deutsche Zustände“ (siehe Buch‑Nr. 41818) – belegen, wie verbreitet Ressentiments gegen die Minderheit in Deutschland und wie tief verwurzelt die zugeschriebenen Stereotype sind. Im Gegensatz zum Antisemitismus und zur Islamophobie beruhten diese auf rassistischen statt religionsfeindlichen Vorbehalten, womit „den damit Stigmatisierten genetisch bedingte üble Eigenschaften wie den angeblichen Hang zur Kriminalität und die behauptete Zivilisationsverweigerung, Bildungsunlust und Verschlagenheit“ (40) zum Vorwurf gemacht werde. Im Gespräch mit Benz verurteilt Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, besonders die Salonfähigkeit des Antiziganismus in der deutschen Gesellschaft: „Jeder normale Mensch in einem Rechtsstaat weiß, dass Fehlverhalten individuell zu verantworten ist und dass jede Form, das Fehlverhalten zu einem Gruppenspezifikum zu machen und es an der Volksgruppe festzumachen, mit Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun hat.“ (59) Auch wenn der Autor abschließend feststellt, dass die politische Akzeptanz der in Deutschland lebenden Minderheit der Roma und Sinti gewachsen ist, sieht er Politik und Medien in der Pflicht, aktiver gegen politische Instrumentalisierung und klischeebehaftete Darstellungen vorzugehen, um der unter der Oberfläche virulenten feindseligen Stimmung entgegenzuwirken.
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Rubrizierung: 2.352.232.614.42 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Wolfgang Benz: Sinti und Roma: Die unerwünschte Minderheit. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38943-sinti-und-roma-die-unerwuenschte-minderheit_46875, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 46875 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken