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Peter Graf Kielmansegg

Wohin des Wegs, Europa? Beiträge zu einer überfälligen Debatte

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015; 163 S.; 29,- €; ISBN 978-3-8487-1966-2
Eine „überfällige Debatte“ nennt Peter Graf Kielmansegg die Auseinandersetzung darüber, was den Kern der europäischen Idee ausmacht, welche Wirkungen von der Zusammenarbeit in der Europäischen Union ausgehen und welche Perspektiven mit dem Projekt verbunden sind. Recht hat er, denn wie fragil die Grundlagen der europäischen Politik zuweilen sind, konnte man während der Eurokrise und kann man gegenwärtig in dem Streit über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik ablesen. Kielmansegg, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim, hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder zur demokratischen Qualität und zur Legitimation der europäischen Integration geäußert. Seine publizistischen Interventionen, die in diesem Buch versammelt sind, haben sich dabei nicht in erster Linie an die Fachkolleginnen und ‑kollegen gerichtet. Vielmehr formuliert er politikwissenschaftliche Kernfragen und stellt seine Antworten einer breiteren Öffentlichkeit zur Diskussion. Gemeinsam ist den Beiträgen eine gewisse Grundskepsis, die eine aufrichtige Debatte über die EU als Voraussetzung für ihr nachhaltiges Gelingen betrachtet. Kielmanseggs „Zwischenbilanz“ des europäischen Projekts im ersten Beitrag des Bandes benennt neben einigen Erfolgen auch die Schwachstellen. So sei es der EU nicht gelungen, eine internationale Handlungsfähigkeit zu entwickeln; das Prinzip der Subsidiarität spiele in der Verfassungswirklichkeit kaum eine Rolle; die Erweiterung habe die Aussichten auf eine Vertiefung grundlegend geschwächt; in der Eurokrise habe eine „Relativierung des Rechts“ (29) Raum gegriffen. Gerade Letzteres macht Kielmansegg Sorgen, denn die Verlässlichkeit der gemeinsamen Regeln sei die „Voraussetzung für die Bereitschaft, sich auf das europäische Projekt weiter einzulassen“ (29). Dass die mit der Erweiterung verbundene größere Heterogenität der Union die Aussichten auf ein effektives und demokratisches Regieren in Europa jedenfalls nicht verbessert hat, zeigt Kielmansegg auch in seiner Erörterung der Frage, ob die EU „Grenzen“ braucht. Die weiteren Beiträge kreisen sämtlich um die Frage der Demokratiefähigkeit der EU. Kielmansegg schätzt die Möglichkeiten einer demokratischen Verfassung für die EU skeptisch ein, weil die gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Ein „blindes Vorwärtsdrängen“ (113) in Richtung einer immer engeren Integration kann deshalb die Erfolgsaussichten der EU eher schwächen denn stärken. Die Eurokrise hat genügend Anschauungsmaterial dafür geliefert, dass die Belastbarkeit der EU geringer sein könnte als lange gedacht.
{WK}
Rubrizierung: 3.13.52.3233.2 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Knelangen, Rezension zu: Peter Graf Kielmansegg: Wohin des Wegs, Europa? Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38871-wohin-des-wegs-europa_47117, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47117 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken