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Claus Leggewie

Politische Zeiten. Meine Beobachtungen von der Seitenlinie

München: C. Bertelsmann 2015; 476 S.; 24,99 €; ISBN 978-3-570-10200-8
Ein Professor für Politikwissenschaft legt – noch dazu in einem Publikumsverlag – seine Erinnerungen vor: Ist das nicht nur für jene interessant, die mit disziplinärem Klatsch vermengte Anmerkungen zur Fachgeschichte erwarten? Claus Leggewie liefert davon nur wenig, er legt vielmehr Zeugnis davon ab, dass er niemals nur ein akademischer Lehrer gewesen ist, sondern zugleich ein Publizist und öffentlicher Mensch, der auf die gesellschaftlichen Debatten Einfluss zu nehmen versucht. Sein Lebensweg entspricht in mancherlei Hinsicht nicht dem Klischee eines Gelehrten und auch sein Weg auf den universitären Lehrstuhl unterscheidet sich von herkömmlichen Karrierepfaden. Das Fach hatte Leggewie, heute Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, gar nicht studiert, als er 1974 in Göttingen eine Promotion begann, die er 1978 abschloss. Die Habilitation folgte 1986, aber neben der akademischen Diskussion war er vor allem Autor in Tageszeitungen und Publizist. Der öffentliche Intellektuelle ist Leggewie geblieben, als er 1989 zum Professor für Politikwissenschaft in Gießen berufen wurde. Davon profitiert das Buch, das man als einen spannenden und kurzweiligen Überblick über die bundesrepublikanische und europäische Gesellschaftsgeschichte nach 1968 lesen kann. Leggewie berichtet über Begegnungen, Orte und Bewegungen – rasch ist man mittendrin in den Debatten vor allem der 1970er‑ bis 1990er‑Jahre, an denen Leggewie als Autor mitgewirkt und dabei jeweils weit über den wissenschaftlichen Diskurs hinaus wahrgenommen wurde. Zu erinnern ist etwa an seine Bücher und Diskussionsbeiträge über den Rechtsradikalismus oder über „Multikulti“. Immer wieder erscheint er als eine Person zwischen den Stühlen – die Lust am Widerspruch und die Abneigung gegen den schnellen Applaus scheint an vielen Stellen des Buches durch. Vergleichsweise geringen Niederschlag finden dagegen seine akademischen Etappen. Obwohl er zu den bekannteren deutschen Politologen gehört, sieht er sich selbst eher am Rand des Faches: Zu den Protagonisten der Politikwissenschaft, so Leggewie, habe er nie gezählt.
{WK}
Rubrizierung: 1.32.32.3132.3152.3312.35 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Knelangen, Rezension zu: Claus Leggewie: Politische Zeiten. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38868-politische-zeiten_47005, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47005 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken