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Christian Schröder

Das Weltsozialforum. Eine Institution der Globalisierungskritik zwischen Organisation und Bewegung

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (GlobalStudies); 293 S.; kart., 34,99 €; ISBN 978-3-8376-2967-5
Diss. Hildesheim; Begutachtung: S. Wolff, W. Schröer. – Die meisten Protestbewegungen zerfallen entweder nach einiger Zeit oder aber nehmen feste, organisationsförmige Strukturen an („NGOisierung“, 11), konstatiert Christian Schröder. Diese Entwicklungen spiegeln sich auch in den theoretischen Ansätzen der Bewegungsforschung wider. Was aber, wenn – wie im Falle des Weltsozialforums (WSF) – eine Protestbewegung jahrelang fortbesteht und den Spagat zwischen Zerfall und Institutionalisierung erfolgreich meistert, ohne dabei ihre Wirkmächtigkeit zu verlieren? Schröder sieht im WSF dementsprechend eine wichtige Herausforderung für die Organisations‑ und Bewegungstheorie und fragt nach den Mechanismen, mit deren Hilfe die Balance zwischen inhaltlicher Flexibilität einerseits und Organisationsmacht andererseits gehalten werden konnte. Für die Analyse wählt er einen ethnografischen Forschungsansatz, der sich auf die Grounded Theory stützt, und identifiziert drei wesentliche Spannungsfelder, in denen diese Balance kontinuierlich hergestellt werden muss. Dabei handelt es sich zum einen um die Herstellungsweisen von Identität. Den kleinsten gemeinsamen Nenner stellt dabei die Gegnerschaft zum Neoliberalismus dar. Um die Offenheit gegenüber neuen Initiativen und Ideen zu gewährleisten, ohne die Ziele der Bewegung dabei ins Beliebige abdriften zu lassen (und sie damit ihres Einflusses zu berauben), wird eine zentrale Bewegungsidentität gezielt durch dezentral organisierte verbindende Referenzpunkte und Narrative ersetzt. Die Dynamik des Einbringens neuer Impulse wird zweitens durch die Kombination fester koordinierender Strukturen mit kontrastrukturellen Bewegungen gewährleistet, die für einen Machtausgleich sorgen und eine zu starre Hierarchisierung verhindern. Das dritte und zugleich größte Konfliktpotenzial stellt das Ressourcenmanagement dar – insbesondere hier stoße das Ideal des WSF an seine Grenzen. Die Notwendigkeit, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, ohne dabei von einzelnen Geldgebern abhängig zu werden, führe zu einem System von „Intransparenz und diffuse[r] Verantwortlichkeit“ (213). Um das WSF als „so eigentlich unmögliche Sozialform, irgendwo zwischen Bewegung und Organisation“ (253) zu kennzeichnen, stellt Schröder am Ende seiner Ausführungen den Begriff der Transpoiesis vor, um das „selbstorganisierte, permanente Ausbalancieren zwischen Zerfall und Institutionalisierung“ (263) zu charakterisieren. Er legt insgesamt einen gewissenhaft recherchierten Beitrag vor, der insbesondere aus organisationssoziologischer Perspektive absolut zu empfehlen ist.
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Rubrizierung: 4.3 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Christian Schröder: Das Weltsozialforum. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38847-das-weltsozialforum_47238, veröffentlicht am 10.09.2015. Buch-Nr.: 47238 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken