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Serge Latouche

Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahn. Aus dem Französischen übersetzt von Barbara Reitz und Thomas Wollermann (Kollektiv Druck-Reif)

München: oekom verlag 2015; 201 S.; 14,95 €; ISBN 978-3-86581-707-5
Degrowth, also Wachstumsrücknahme – diese Forderung sei in unserer produktions‑ und konsumsüchtigen Gesellschaft immer noch ein solches Tabu, dass sie im Mikrokosmos der Politik wie ein Ufo wirke. Serge Latouche fordert, dass wir „uns vom Ziel des exponentiellen Wachstums verabschieden müssen“, da es nur der „Profitgier der Kapitaleigner“ diene, mit „verheerenden Folgen für die Umwelt und damit auch die Menschheit“ (24). Der Autor spricht nicht einfach von negativem Wachstum, denn, so stellt er klar, ohne Wachstum drohten Massenarbeitslosigkeit, Sozialabbau und eine Gefährdung der Mindeststandards an Lebensqualität – und es könne doch nichts „Schlimmeres geben als eine auf Wachstum basierende Gesellschaft ohne Wachstum“ (25). Deshalb sei eine andere gesellschaftliche Basis gefordert. Es sei nötig, den bedingungslosen und damit irrationalen Glauben an Wachstum um des Wachstums willen aufzugeben. Latouche wehrt sich allerdings dagegen, Degrowth mit nachhaltiger Entwicklung gleichzusetzen. Dieser Begriff diene nur der Verneblung, „Entwicklung ist ein hochgiftiger Begriff“ (27), egal, ob sie qualitativ, nachhaltig oder grün genannt werde. Er verweist auf die zwei Aspekte der Wachstumskritik, auf die kulturalistische und die ökologische Kritik an der Ökonomie. Erstere stelle den „Homo oeconomicus“ als theoretische Basis infrage. Die zweite mahne angesichts diverser Umweltkrisen die materiellen Grenzen des Wachstums an. Der Autor, Ökonom und Philosoph, beschreibt Degrowth als „eine konkrete Utopie“ (55). Für diese müsste aber auch die Politik auf eine neue Grundlage gestellt werden, weg von der „Berlusconisierung“ (53) und einer Politik, die jeden Bezug zur Realität verloren habe. „Alle Regierungen sind, ob sie es wollen oder nicht, ‚Funktionäre‘ des Kapitals.“ (108). Latouche zählt schließlich in einem sogenannten Wahlprogramm für Degrowth neun Maßnahmen auf, darunter neue Umweltsteuern, Relokalisierung, Senkung der Arbeitszeit, Vermehrung des Sozialkapitals, Werbeverbote für schädliche Produkte sowie ein „Moratorium für technowissenschaftliche Innovationen“ (113). Eine spezifische Kapitalismuskritik reicht Latouche also nicht, da er auch Wachstum innerhalb eines sozialistischen oder auf andere Art alternativen Entwicklungsmodells ablehnt. Wachstumsrücknahme, so sein Fazit, sei auch ein „humanistisches Projekt“, da ein auf fossilen Rohstoffen basierender „künstlich entfesselter Überfluss“ (159) menschliche Arbeit entwerte und ihre schöpferische Leistung unglaublich banalisiere.
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Rubrizierung: 2.24.432.22 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Serge Latouche: Es reicht! München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38793-es-reicht_46948, veröffentlicht am 27.08.2015. Buch-Nr.: 46948 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken