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Claire Moulin-Doos

Civic Disobedience: Taking Politics Seriously. A Democratic Theory of Political Disobedience

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Zeitgenössische Diskurse des Politischen 7); 205 S.; geb., 54,- €; ISBN 978-3-8487-1517-6
Diss. Bremen; Begutachtung: F. Nullmeier, M. Nonhoff, M. P. Ferretti. – Claire Moulin‑Doos geht in ihrer bereits 2011 verteidigten Dissertation der Frage nach, wie sich der in jüngerer Zeit vermehrt im Rahmen sozialer Proteste aufgetretene Begriff der ‚civic disobedience’ präzise konzeptualisieren lässt. Im Unterschied zum bekannten Begriff des ‚zivilen [civil] Ungehorsams’, der auf den amerikanischen Schriftsteller Henry David Thoreau, aber auch auf Praktiker des Protests wie Mahatma Gandhi oder Martin Luther King zurückgeführt werde, gelte es, ‚civic disobedience’ gerade jenseits liberaler Theoriebildung zu etablieren. Während in der liberalen Demokratietradition, die Demokratie und Rechtsstaat eng zusammen denke, ziviler Ungehorsam im Kern auf „die Verteidigung von Rechten gegenüber der Intervention einer politischen Autorität“ (61) abziele, stehe beim Begriff der ‚civic disobedience’ – wie unlängst in Frankreich in Schriften von José Bové oder Étienne Balibar vertreten – der Aspekt der Interventionserzwingung im Zentrum. „Civic disobedience ist eine Forderung an die politischen Institutionen [the polity] einzuschreiten, um politische Maßnahmen zu implementieren, wohingegen ziviler Ungehorsam darin besteht, den Staat aufzufordern sich einer Handlung zu enthalten.“ (101). An dieser Stelle wird auch das politische, um nicht zu sagen das demokratisch‑kreative Potenzial des Konzepts deutlich. Wenn die demokratisch legitimierten Institutionen zur Ergreifung und Umsetzung konkreter Maßnahmen aufgefordert werden sollen, dann bedarf es im Vorfeld einer Verständigung darüber, worin diese Maßnahmen bestehen sollen. Politische Forderungen zu beratschlagen, sie zu artikulieren, erscheint zunächst als eine auch im demokratischen Sinne aktivere Praxis als es die Abwehr übergriffiger Staatstätigkeit ist. Andererseits, und hier wäre in der Tat Anlass trotz aller berechtigten Versuche einer trennscharfen Abgrenzung beide Begriffe wieder zusammenzudenken, braucht eine Demokratie beides – eine aktiv fordernde Staatsbürgerschaft, also eine partizipative politische Kultur, ebenso wie ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Grenzen demokratisch noch vertretbaren Handelns. Allein diesen Denkanstoß vermittelt zu haben, macht das Buch – das zudem in einer unglaublich klaren, deutlichen Sprache daherkommt – zu einer spannenden und aus demokratietheoretischer Sicht wichtigen Lektüre.
{LEM}
Rubrizierung: 5.41 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Claire Moulin-Doos: Civic Disobedience: Taking Politics Seriously. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38785-civic-disobedience-taking-politics-seriously_46621, veröffentlicht am 27.08.2015. Buch-Nr.: 46621 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken