Skip to main content
Walter Leisner

Die Prognose im Staatsrecht. Zukunft in Vergegenwärtigung

Berlin: Duncker & Humblot 2015 (Schriften zum Öffentlichen Recht 1291); 159 S.; 54,90 €; ISBN 978-3-428-14599-7
„Findet im Recht Gestaltung der Zukunft statt?“ (Vorwort), so lautet die Frage, der Walter Leisner nachgeht. Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive ist sie insofern von Bedeutung, als sie den zeitlichen Raum der Rechtsgeltung zu konturieren versucht. Wie die Theologie und die Medizin habe auch das Recht eine Zukunftsschranke zu achten, die es selbst aus sich heraus nicht aufzuheben vermöge: „Sein ‚Zukunftsblick’, seine Visionen hören auf, wo der letzte Adressat ihrer Befehle nicht mehr gehorcht – oder stirbt. Jenseits all dieses geistigen Bemühens der Wissenschaften beginnt die ‚Zukunft – das große Unbekannte’.“ (11) Trotz dieser Zukunftsschranke erhebt das Recht jedoch einen Anspruch auf Geltung für die auf die Gegenwart folgende Zeit – die, insofern sie im Heute thematisiert wird, gleichsam eine Vergegenwärtigung erfährt. Diese Vergegenwärtigung der Zukunft bezeichnet Leisner als „teleologischen Gestaltungsanspruch“ (12) des Rechts. Wenn Recht Zukunft vergegenwärtigt, dann erfolgt eine solche Bezugnahme aus drei Perspektiven, aus „drei Operationen der Prognose“: Erstens gehe es um die allgemeine Abschätzung der künftigen Entwicklung gegenwärtiger Lagen; zweitens um die Abschätzung der Auswirkungen rechtlicher Regelungen auf solche Lagen; und drittens um die Zeitdimension des gegenwärtigen (rechtlichen, politischen) Entscheidungswillens. Alle drei Operationen ließen sich zwar analytisch getrennt erfassen, würden sich jedoch im Rechtsetzungsprozess überlagern und seien noch dazu alle „vom jeweiligen Machtdenken, das die politischen Entscheidungen trägt“ (13), durchdrungen. Damit stellt sich ein Problem, das Leisner so zusammenfasst: „Für die Zukunft wird entschieden – aber [...] stets im Heute.“ (14) In der Gegenwart erweist sich diese Problematik als umso dringlicher, als dass nicht nur die Folgen eigenen Tuns – etwa im Rahmen technischer Entwicklungen – immer schwieriger abzuschätzen sind. Auch die zunehmende Komplexität globaler Verflechtungen stellt Regelungsansprüche für die Zukunft aus der Gegenwart heraus auf immer tönerne Füße. Leisner bietet eine systematische Erschließung sowie eine grundlegende Reflexion über eine für jede Form kollektiver Entscheidungsfindung und ‑fixierung konstitutive Zusammenschau von Zukunft in der Gegenwart.
{LEM}
Rubrizierung: 5.412.32 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Walter Leisner: Die Prognose im Staatsrecht. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38769-die-prognose-im-staatsrecht_47047, veröffentlicht am 20.08.2015. Buch-Nr.: 47047 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken