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Peer Steinbrück

Vertagte Zukunft. Die selbstzufriedene Republik

Hamburg: Hoffmann und Campe 2015; 303 S.; 22,- €; ISBN 978-3-455-50348-7
Mit diesem Buch gelang es Peer Steinbrück für kurze Zeit, die Debatte der politisch interessierten Öffentlichkeit mitzubestimmen. Als einfacher Bundestagsabgeordneter, denn er war wie angekündigt nicht ins Kabinett seiner Wahlkampfgegnerin Angela Merkel eingezogen, war er wieder im Gespräch und konnte sich einmal mehr als bodenständiger, zukunftsorientierter Mahner präsentieren. Steinbrück warnt zunächst vor Selbstzufriedenheit und Gleichgültigkeit im Umgang mit der Demokratie: „Die Nachlässigkeit, die wir oft an den Tag legen, könnte sich rächen und ihrerseits zur größten Bedrohung von Demokratie und Freiheit werden.“ (15) Dieser mahnende, manchmal fast fatalistische Tonfall ist aus dem Wahlkampf 2013 bekannt, ebenso wie viele Aussagen des Autors, etwa die über die Gefahren für Deutschlands wirtschaftliche Stabilität oder enthemmte Finanzmärkte. Steinbrück bietet außerdem nicht nur eine nüchterne Bilanz der Wahlkampfzeit, sondern übt heftige Kritik an den Medien beziehungsweise dem von ihm empfundenen Bashing gegen seine Person. Er moniert einen generellen Mangel an Komplexität in der Politikberichterstattung und diagnostiziert eine „enorme Deutungsmacht der Medien bei gleichzeitigem Vertrauensverlust politischer Institutionen“ (18). Dass Steinbrück sich als altgedienten Kämpfer in diesem Politik‑Medien‑System sieht, lässt sich dem Buch entnehmen. Zudem spricht er aktuelle Großthemen an, wie beispielsweise die Globalisierung, die Entgrenzung der Finanzmärkte, die digitale Revolution samt der Gefahr der Überwachung – ohne dabei allzu viel Neues zu bieten. Gewinnbringender zu lesen sind Steinbrücks Erinnerung an den Wahlkampf: an die Rolle der eigenen Partei und der eigenen Person sowie die Fehler, aus denen es für die Zukunft zu lernen gilt. Steinbrück positioniert sich dabei zur nötigen Ausrichtung der SPD, die mehr ökonomische statt bloß umverteilerische Kompetenz an den Tag legen müsse: „In der Fixierung auf eine vermeintlich klassische Wählerklientel – ‚den Arbeiter’ […] – wird die SPD zukünftig keine Wahlen mehr gewinnen.“ (39) So ist Steinbrücks Buch doppelt lesenswert: als Wahl‑ und Wähleranalyse und durch die politische Insiderperspektive.
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Rubrizierung: 2.32.3312.3322.3332.343 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Peer Steinbrück: Vertagte Zukunft. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38713-vertagte-zukunft_47032, veröffentlicht am 06.08.2015. Buch-Nr.: 47032 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken