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Hermann-Josef Große Kracht / Klaus Große Kracht (Hrsg.)

Religion – Recht – Republik. Studien zu Ernst-Wolfgang Böckenförde

Paderborn: Ferdinand Schöningh 2014; 209 S.; kart., 28,90 €; ISBN 978-3-506-76611-3
Die Demokratie, so hat es der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Ernst‑Wolfgang Böckenförde einmal formuliert, lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht schaffen kann. Böckenförde, einer der „großen public intellectuals der Bundesrepublik“ (7), habe, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, mit diesem Satz wie kaum ein anderer das Nachdenken über das Verhältnis von Religion, Recht und Republik angeregt. Dass sich ein solches Nachdenken lohnt, zeigen die einzelnen Beiträge. Tine Stein unternimmt den Versuch, Böckenfördes Positionierung zwischen engagiertem Katholizismus einerseits und kritischer Verankerung im säkularen Verfassungsstaat andererseits näher zu bestimmen. Beides zusammenzudenken sei auf der Basis der Idee der Menschenwürde möglich, die als positivrechtliche, selbstreferenzielle Setzung eben nicht vollumfänglich verstanden, geschweige denn zum Tragen kommen könne. Stattdessen bedürfe es ihrer zusätzlichen Einbindung in den religiösen Kontext, aus dem sie stamme: „Wenn heute auf die Vorstellung der in den biblischen Erzählungen bewahrten Gottesebenbildlichkeit als einer für die Entwicklung der Idee der Unbedingtheit der Menschenwürde zentralen Vorstellung verwiesen wird, dann ist dies keinesfalls [...] rechtspolitisch irrelevant“ (152 f.). Hermann‑Josef Große Kracht verweist auf eine gegenwartsdiagnostisch nicht minder wichtige Facette, nämlich auf die, dass Böckenförde vermehrt auch als „kapitalismuskritischer Interpret des Sozialstaatsgebots des Grundgesetzes“ (91) gesehen werden könne. Statt einer auf Wettbewerb und Konkurrenz gegründeten, rein kompetitiven Gesellschaftsordnung gelte es, entsprechend der Werte der katholischen Soziallehre, verstärkt an die gemeinschaftsstiftende Kraft der Solidarität zu erinnern. Die Bilanz dieses Erinnerungsversuchs, wie Böckenförde ihn, so Große Kracht, immer wieder unternommen habe, falle jedoch ernüchternd aus: „Man wird davon ausgehen können, dass [...] Böckenförde nach wie vor genügend Grund haben wird, an seiner pessimistischen Einschätzung festzuhalten, auf den Feldern der freiheitsrechtlich motivierten Kapitalismuskritik, der Konturierung eines starken freiheits‑ und demokratiesichernden Sozialstaates und des ‚Aufweckens’ der solidarischen Tradition der katholischen Soziallehre enttäuschend wenig erreicht zu haben.“ (115) Es bleibt also genug Anlass und Grund, in diese Richtung weiter zu denken. Die Beiträge des Bandes gehen zurück auf ein Kolloquium anlässlich des achtzigsten Geburtstages Böckenfördes, das bereits im Oktober 2010 am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster stattgefunden hat.
{LEM}
Rubrizierung: 2.32.3132.355.41 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Hermann-Josef Große Kracht / Klaus Große Kracht (Hrsg.): Religion – Recht – Republik. Paderborn: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38707-religion--recht--republik_45633, veröffentlicht am 06.08.2015. Buch-Nr.: 45633 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken