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Juan Reinaldo Sánchez, mit Axel Gyldén

Das verborgene Leben des Fidel Castro. Ich war 20 Jahre Leibwächter des Maxímo Líder. Das ist die wahre Geschichte. Übersetzung aus dem Französischen von Monika Buchgeister und Norma Cassau

Köln: Bastei Lübbe 2015; 304 S.; 19,99 €; ISBN 978-3-7857-2534-4
Nicht unerwartet fängt dieses Buch mit karibischer Dolce Vita an, mit einer Jacht, die im türkisblauen Meer dümpelt, und einem geheimem Ferienhaus auf einer abgelegenen Insel. Fidel Castro entpuppt sich in dieser Nahaufnahme als Diktator, der seinem Volk Wasser predigt, selbst aber morgens frisch gemolkene Milch von der eigenen Kuh und abends Whiskey trinkt; seine Familie und er werden aus einem eigenen großen Garten mit Gemüse und Obst versorgt, außerdem nutzt er ein separates Haus für amouröse Abenteuer. Der einstige Revolutionär, der sich durch die Wildnis in den Bergen schlug, um sein Land von einer (anderen) Diktatur zu befreien (siehe „Der strategische Sieg“, Buch‑Nr. 42510) ist schon lange im bequemen Alltag eines Herrschers angekommen. Juan Reinaldo Sánchez, der im Mai 2015 mit 66 Jahren nach Medienberichten in den USA an Lungenkrebs verstorben ist, berichtet von diesem sorglosen Diktatorenleben aus eigener Anschauung – über zwanzig Jahre lang war er Castros Leibwächter, koordinierte auf Auslandsreisen dessen Sicherheit und begleitete ihn überall hin. Der Bruch kam 1994, nachdem Sánchez um seine vorzeitige Pensionierung gebeten hatte. Da bereits Verwandte Kuba verlassen hatten, wurde auch ihm eine Fluchtabsicht unterstellt, zwei Jahre verbrachte er in Haft und erlitt schwere gesundheitliche Schäden. 2008 gelang ihm die Flucht in die USA, das Buch hat er mit Unterstützung des französischen Journalisten Axel Gyldén geschrieben. Abgesehen von den Schilderungen eines Alltags, der so gar nichts mit den Sorgen und Nöten der kubanischen Bevölkerung zu tun hat, und der Aufschlüsselung, wer alles zur großen Familie Castro gehört und Einfluss hat – Raúl Castro zeigt sich hier mit Blick auf die persönlichen Beziehungen als das eigentliche Familienoberhaupt –, sind diese Erinnerungen auch interessant, weil Sánchez einige Themenfelder aufdeckt, die politisch wie wissenschaftlich ihrer gründlichen Aufarbeitung harren. Zu nennen sind die Trainingscamps, in denen „das Regime Guerillakämpfer aus der ganzen Welt und sogar [Kämpfer] von manchen terroristischen Organisationen“ (117) ausgebildet hat, explizit genannt werden unter anderem die baskische ETA und die kolumbianische FARC, außerdem die – in Grundzügen bekannten – Versuche, die linken Regierungen in Nicaragua und Venezuela zu stützen. Der eigentliche politische Sprengsatz aber dürfte in dem Schluss liegen, den Sánchez nach der Hinrichtung von Arnaldo Ochoa 1989 gezogen hat: Der General war das Bauernopfer, mit dem Fidel Castro die eigenen Verstrickungen in den Kokainhandel in Lateinamerika vertuschte. Sollte dies zutreffen, wäre das für ihn und sein Regime in jeder Hinsicht eine Bankrotterklärung.
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Rubrizierung: 2.652.12.242.254.414.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Juan Reinaldo Sánchez, mit Axel Gyldén: Das verborgene Leben des Fidel Castro. Köln: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38595-das-verborgene-leben-des-fidel-castro_46853, veröffentlicht am 02.07.2015. Buch-Nr.: 46853 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken