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Frédéric Gros

Die Politisierung der Sicherheit. Vom inneren Frieden zur äußeren Bedrohung. Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann

Berlin: Matthes & Seitz 2015; 300 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-95757-016-1
Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, hat Bayern mit Blick auf den G7‑Gipfel als Sicherheitsland Nummer eins bezeichnet. Nun bleiben in einem Land, in dem die Sicherheit weniger der Gewährleistung der Grundrechte wie der Demonstrationsfreiheit dient, sondern vielmehr als Vehikel für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegen vermeintliche Chaoten und Störenfriede herhalten muss, Rechtsstaat und Demokratie allzu schnell auf der Strecke. Der Vorrang polizeilicher und militärischer Sicherheit gegenüber der dem modernen Sicherheitsbegriff zugrundeliegenden Rechtssicherheit ist nur eines der vielen Themen, die Frédéric Gros in seinem Husarenritt durch die Geschichte des Sicherheitsbegriffs diskutiert. Er untersucht hierzu vier verschiedene Auslegungen: Ausgehend von der dem Rezensenten sympathischen Tradition der Antike, die Sicherheit als subjektiven Seelenzustand, Gemütsruhe beziehungsweise inneren Frieden wahrnahm, über das Mittelalter, in dem Sicherheit als von allen Gefahren beseitigte Utopie objektiviert wurde und die im Totalitarismus des 20. Jahrhunderts ihre Wiederauferstehung fand, gelangt Gros schließlich zum modernen Sicherheitsbegriff, in dem Staat und Sicherheit eine Synthese bilden. Die Politisierung der Sicherheit vollzieht sich als ein Wandel vom inneren Frieden zum Staat als Garanten der Sicherheit gegenüber äußeren Bedrohungen. Neben der oben beschriebenen Gefahr des Überhandnehmens der polizeilichen Sicherheit mit Blick auf die Freiheitsrechte des Einzelnen sieht Gros vor allem in der Biosicherheit eine neuerliche problematische Bedeutungsverschiebung des Sicherheitsbegriffs. Sicherheit dient nunmehr dazu, den „Lebenskern des Individuums“ (186) zu erhalten. Mittels Schutz‑, Kontroll‑ und Regulierungstechniken wird aus dem modernen Garantiestaat ein paternalistischer Staat, der die Bürger in puncto Ernährung und Gesundheit vor ihren eigenen Handlungen beschützen möchte. Der Foucault’schen Diskurstheorie ist es jedoch geschuldet, dass die verschiedenen Deutungen von Sicherheit oftmals wenig aneinander anschließen als vielmehr abrupt enden.
{PS}
Rubrizierung: 5.15.35.422.23 Empfohlene Zitierweise: Patrick Stellbrink, Rezension zu: Frédéric Gros: Die Politisierung der Sicherheit. Berlin: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38575-die-politisierung-der-sicherheit_46994, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 46994 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken