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Franz Gmainer-Pranzl / Ingrid Schmutzhart / Anna Steinpatz (Hrsg.)

Verändern Gender Studies die Gesellschaft? Zum transformativen Potential eines interdisziplinären Diskurses

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2014 (Salzburger interdisziplinäre Diskurse 5); 453 S.; geb. 82,95 €; ISBN 978-3-631-65603-7
„Können Gender Studies als diskursives und kritisches Konzept tief sitzende Geschlechterstereotypen, ‚selbstverständliche’ Gewaltstrukturen und sexuelle Normen verändern, die in unterschiedlichen Gesellschaften immer wieder dazu führen, dass Frauen benachteiligt und ausgegrenzt [...] werden [...]?“ (9) Die Herausgeber_innen bejahen diese Frage und präsentieren die gesellschaftsverändernden Potenziale der Disziplin anhand von 25 Sammelbandbeiträgen. Diese sind zum Teil Resultat einer Tagung, die an der Katholisch‑Theologischen Fakultät der Universität Salzburg im November 2013 stattfand. Nikita Dhawan erinnert in ihrem Text daran, dass die Einführung feministischer Theorien in die Hochschullehrpläne einst als politischer und emanzipativer Akt gegen eine „androzentrische Wissensproduktion“ (13) galt. Als einen der wichtigsten Beiträge dieser Theorien sieht sie die Erweiterung des Gewaltbegriffs von körperlicher Bedrohung oder Verletzung auf epistemische, diskursive und strukturelle Formen. Wichtig sei aber auch, die Biologisierung von Gewalt zu kritisieren; Frauen seien nicht „‚von Natur aus ‚gewaltfrei“ (14), sondern könnten auch Täterinnen sein. Bernhard Schwaiger diskutiert in seinem Beitrag, ob Gender Studies prinzipiell geeignet sind, „eine Veränderung in den Köpfen der Menschen und in ihrem konkreten Handeln hinsichtlich der Geschlechtsverhältnisse herbeizuführen“ (158). Er stützt sich dabei auf moralpsychologische Theorien und kommt zu einem eingeschränkt positiven Ergebnis: Es könne durchaus möglich sein, mit rationalen Mitteln gewisse individuelle Veränderung im Bereich geschlechtsspezifischer Affekte zu erreichen. Theresia Heimerl erkennt wissenschaftsgeschichtliche und systematische Ähnlichkeiten zwischen Gender Studies und ihrem Fach, der Religionswissenschaft – etwa die hauptsächliche Definition durch den Forschungsgegenstand. Trotzdem gebe es viel Trennendes, etwa „die mitunter brachiale Polemik gegen Religion als Auslöser für patriarchale Unterdrückung oder utopische Konzepte einer weiblichen Religion“ (272), die ihre Kolleginnen oft abschrecke. Aber auch in der Religionswissenschaft seien race, class und gender inzwischen Kategorien geworden, mit denen „es möglichst korrekt umzugehen gilt“ (285). In der Frage der Geschlechterbilder im Islam habe man aber bisweilen nur die „Wahl zwischen „political incorrectness in Sachen race oder gender“ (285). Diese Frage der Gewichtung ist für sie eines der großen Tabuthemen in beiden Wissenschaftsdisziplinen und nicht einfach auflösbar.
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Rubrizierung: 2.272.42.362.68 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Franz Gmainer-Pranzl / Ingrid Schmutzhart / Anna Steinpatz (Hrsg.): Verändern Gender Studies die Gesellschaft? Frankfurt a. M. u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38563-veraendern-gender-studies-die-gesellschaft_46763, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 46763 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken